Humorkritik | Juni 2017

Juni 2017

Über einen Witz lachen, den man gar nicht lustig findet, ist wie einen Orgasmus zu simulieren, aber ungleich riskanter. Denn das falsche Lachen hat meist zur Folge, daß gleich noch einer nachgeschoben wird.
Martin Knepper, Facebook

Pünktchen und Affen

Lustig, frech und erhellend geht es im allgemeinen zu, wenn in der Literatur Menschen und Affen miteinander konfrontiert werden und sich jene Frage stellt, die der Bauernsohn in Wilhelm Buschs Gedicht »Die Affen« an seinen Vater richtet, nachdem dieser ihm geschildert hat, was der anberaumte gemeinsame Zoobesuch alles an äffischen Verhaltenssensationen zu bieten haben werde: »Sind Affen denn auch Leute?« Des Vaters Antwort, »Nun ja, / nicht ganz, doch so beinah«, ersetzt ganze verhaltensbiologische Kompendien.

Ähnlich erwartungsvoll gestimmt wie der Sohn vor dem Zoobesuch war ich vor der Lektüre von »Mann im Zoo«, einem schmalen, viel gelobten Roman des Engländers David Garnett (1892-1981), der gerade neu übersetzt bei Dörlemann erschienen ist (Übersetzerin: Maria Hummitzsch). Allein was da wieder mal der Klappentext verheißt: Das Liebespaar John und Josephine gerät im Rahmen eines Zoo-Aufenthalts in Streit, sie wirft ihm primatöses Verhalten vor, er nimmt sie beim Wort, bewirbt sich bei der Zoodirektion als menschliches Schauobjekt, wird angenommen und bezieht einen Käfig zwischen dem eines Schimpansen und einer Orang-Utan-Dame. Die Affen »sind alles andere als begeistert und würden den neuen Mitbewohner, vor dessen Käfig die Leute in langen Schlangen stehen, vor lauter Eifersucht am liebsten in der Luft zerreißen …«

Was drei Pünktchen vermögen! Hier erzeugen sie, das Verhältnis der Affen zu ihrem neuen Nachbarn betreffend, die Erwartung, man werde von Garnett unerhörte Erkenntnisse oder zumindest unterhaltende Episoden zum Thema »Sind Affen denn auch Leute?« serviert bekommen, Garnetts Buch stehe mithin in der Tradition von beispielsweise Hauffs »Der Affe als Mensch«, Kafkas »Bericht für eine Akademie« und dergleichen Affenliteratur-Klassikern und nehme am besten auch gleich »Oh Schimmi« von Teresa Präauer vorweg. Nun, es gibt hübsche Pointen wie z.B. den Groll des mit seiner neuen Aufgabe überforderten Affen- und nun eben auch Menschenwärters, sogar satirische Anflüge, etwa wenn das von Johns wenig spektakulärem Verhalten enttäuschte Publikum hofft, daß dieser irgendwann einmal »genauso viel Persönlichkeit entwickelt hätte wie ein Bär oder Affe«, und weil Garnett ein englischer Humorist ist, kommt er auch nicht ohne Skurrilitäten aus, die sich der Dickköpfigkeit seines Helden John verdanken. Doch im Grunde ist der Roman eine mit überschaubaren Überraschungseffekten geschmückte Liebesgeschichte – sogar mit Happy End. Angenehmer britischer Humor, unterhaltsam, fein erzählt; er hätte mir aber besser gefallen, wenn er vom Buschschen »doch so beinah« gehandelt hätte. Für meine ungerechte Enttäuschung möchte ich natürlich nicht David Garnett selig zur Verantwortung zu ziehen, sondern nur diese drei kleinen irreführenden Pünktchen: …

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg