Humorkritik | Juli 2017

Kill Bill

Die Anekdote als literarische Form ist, trotz Kleist und Böll, problematisch. Allenfalls zur Herabsetzung einer allgemein verehrten Person mag sie durchgehen, und auch dann vorzugsweise in mündlicher Form; soll sie hingegen der Verherrlichung eines Menschen dienen – wie etwa das Neue Testament mit seinen Jesus-Anekdoten –, so weckt sie Widerwillen in jedem kritischen Geist.

So auch in meinem: etwa bei der Lektüre einer Sammlung angeblich »wahrer Geschichten, die dir keiner glaubt«, zusammengetragen vom Autor Gavin Edwards. Alle ranken sich um Bill Murray, denn »um den Schauspieler kursieren Hunderte solcher Geschichten«, ist doch Murray berüchtigt dafür, »wach durchs Leben zu gehen, damit jeder Alltagsmoment zu etwas Besonderem werden kann«. Leider hat Gavin kaum einen ausgelassen. »Meeting Bill Murray« (dt. bei Eichborn) umfaßt deshalb 350 Druckseiten.

Schon das Vorwort, in dem Gavin versucht, eine kurze Biographie Murrays zu geben, liest sich unangenehm. Einerseits anbiedernd vertraulich, andererseits übertrieben ehrfurchtsvoll nähert er sich seinem Idol – eine ganz ungute Mischung. Von den folgenden Anekdoten läßt sich das nicht sagen: Sie sind ungemischt überflüssig und dürften selbst für Fans – spätestens seit »Groundhog Day« weiß auch ich Murray zu schätzen – schwer verdaulich sein. Bill Murray ist leider mitverantwortlich, da er der Veröffentlichung offenbar nicht bloß zugestimmt hat, sondern einige Kommentare und Details sogar selbst beigesteuert zu haben scheint. Ein Beispiel aus dem Baseballstadion: »Als jemand ein paar Reihen weiter im Stadion Ghostbusters zitierte: ›Hunde und Katzen leben miteinander. Massenhysterie!‹, meinte Bill wie zu sich selbst: ›Ghostbusters, die werden uns verfolgen, bis sich einer mit dem Spielzeug umbringt‹.«

Ob im Original wenigstens einige Pointen komisch sind, läßt sich aufgrund der unsicheren Übersetzung schwer feststellen. Vermutlich hätte Gavin sich an Nietzsches Aphorismus halten sollen: »Aus drei Anekdoten ist es möglich, das Bild eines Menschen zu geben.« Aus dreihundert wird ein Zerrbild.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
07.05.2024 Köln, Stadthalle Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
07.05.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Kathrin Hartmann