Humorkritik | Dezember 2017

Dezember 2017

Wer Böses gibt für Gutes aus,
Dem kommt das Böse
nicht aus dem Haus;
Wer lacht, damit ein andrer weint,
Den trifft das gleiche, eh ers meint.
Sebastian Brant

Reifenquietschvergnügt

Die Kölner Autorin und Kabarettistin Katinka Buddenkotte hat ihren dritten Roman veröffentlicht, und beim Lesen des Klappentexts war ich zunächst ein bißchen skeptisch: Ein ungleiches Liebespaar, Mitte dreißig, beruflich erfolglos, bricht überstürzt zu einem Roadtrip auf, und das auch noch nach Belgien, dem Eldorado für skurrile Reisen. In diesem Fall sind die beiden Protagonisten inspiriert durch den Film »Brügge sehen… und sterben?«, und auch sonst ist der Roman an filmischen Referenzen reich; da wird geackert »wie ein manischer Filmbösewicht, dem in der siebenundachtzigsten Minute seine Weltherrschaftsfantasien um die Ohren fliegen«, und das ist bereits eine der ersten Erfreulichkeiten.

Aber der Reihe nach: Das Liebespaar fährt also per Volvo nach Belgien und hat sich sehr gern. Gerade als man denkt, daß es sich vielleicht ein bißchen weniger gern haben könnte, um die Spannung zu erhöhen, taucht aus der lichtlosen Tiefe einer Brügger Kneipe Eddie auf, ein Fremder mit Kunststoffgebiß und Hermelinmantel. Er belebt die Gruppenkonstellation aufs Schönste, und der Buchtitel »Eddie muß weg« wird zum Programm. Krankheit und Tod spielen bald eine Rolle, Buddenkotte gelingt es jedoch, jeder drohenden Rührseligkeit mit einem reifenquietschenden U-Turn auszuweichen. Trocken, bisweilen sarkastisch werden die Inhalte amerikanischer Liebeslieder paraphrasiert, hübsche Frotzeleien eingeflochten (»natürlich spende ich dir meine Niere; ist die einfachste Möglichkeit, in zehn Minuten ein Pfund abzunehmen«) oder die deeskalierende Wirkung von Bier erwogen. Saufen ist in den mittlerweile sechs Büchern Buddenkottes überhaupt eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Vielleicht hätte es nicht gar so vieler Exkurse in die Vergangenheit des Paares bedurft, zugunsten von etwas mehr Handlung; das einzige aber, was mich an dieser Autorin grundsätzlich stört, ist das Marketingsprech ihrer bisherigen Verlage: als »Fräuleinwunder« feilgeboten oder »freche« Autorin verniedlicht, wurde ihr Name gar als »Synonym für humorvolle Unterhaltung für junge Frauen« verscherbelt. Labels, auf die der »Eddie muß weg« herausgebende Satyr-Verlag gottlob verzichtet, und so dürfen auch alte freche Männer wie ich an Buddenkotte ihre Freude haben.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella