Humorkritik | Februar 2016

Februar 2016

»Daß ich nicht lache.
Daß ich nicht herzlich lache.
Daß ich nicht sehr herzlich lache.«
Gerhard Fritsch, »Katzenmusik«

Demnächst im Fernseh

Amüsant, satirisch, witzig, komisch – erstaunlich auch im Falle Karl-Heinz Ott, mit welcher Hingabe unsere kritischen Instanzen das ihnen Anvertraute in die Schublade stecken, die ihnen die nächste ist, und zwischen Absicht und Ergebnis weder unterscheiden können noch wollen. Denn zwar ist Otts jüngster Roman »Die Auferstehung« (Hanser) als Satire gedacht: Vier erwachsene, verkrachte Kinder kommen im Elternhaus zusammen, um, während der frisch verstorbene Papa nebenan liegt, darüber zu beraten, wie mit der ungarischen Pflegerin umzugehen sei, der der Vater anscheinend alles vermacht hat. Doch wenn der älteste Sohn ein vorbestrafter Altkommunist ist, der zweite (und erzählernächste) ein verarmter Büchermensch, der dritte ein Waldorf-Öko und die Tochter eine Provinzkuratorin, die alles Kreative »spannend« findet, dann riecht das nach einer Vorlage für einen dieser gepflegten ARD-Filme, in denen sich unsere TV-Hochkaräter im kleinen Kreis ihre linksbourgeoisen Lebenslügen vorrechnen (»Spiegel online«: »Verfilmung dringend empfohlen«). Gepflegt ist Otts Roman durchaus auch, und daß ich ihn trotz gewisser Schlampigkeiten im Detail – verwaschene Relativbezüge, diskutable Tempora, und für denselben Erzähler, der über »spannend« und »zeitnah« extemporieren läßt, ist »ein Stück weit« kein Problem – nicht ungern las, liegt daran, daß Ott, weil er’s am Theater gelernt hat, Dramaturgie kann und ein guter Regisseur der innerfamiliären Schlagabtäusche ist, die allerdings darunter leiden, daß etwas aufdringlich bildungsgehubert wird: »Wußtet ihr, daß Baudelaire gesagt hat …?« Da spricht, wo noch die tote Mama, ein Provinzmuttchen, einst Dante zitiert haben soll, der Ott stets selbst, dem seine Figuren gleichwohl gelingen und als Klischees recht blutvoll vor uns stehen.

Zu lachen gibt es aber so wenig wie bei der idiotischen, vom Titel fad vorweggenommenen Pointe. Aber muß man immer lachen? Auf ärgerliche Weise unkomisch ist allerdings die abermals aufdringliche, punktuell gar demagogische Erledigung der (Revolutions-)Träume und Gebräuche von ’68ff.: Auf diesen toten Gaul noch einmal einzuschlagen (und dabei das Wort von den »rotlackierten Faschisten« zu insinuieren) mag für die Publikumswertung gut sein – ließe mich aber im Grabe rotieren, wenn ich denn so tot wäre wie, sagen wir, die deutsche Literaturkritik.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg