Humorkritik | Februar 2016
Februar 2016
»Daß ich nicht lache.
Daß ich nicht herzlich lache.
Daß ich nicht sehr herzlich lache.«
Gerhard Fritsch, »Katzenmusik«
Was gezeichnet werden muß
Nach den Attentaten auf Charlie Hebdo haben sich viele, nur scheinbar unscheinbare Zeitgenossen als Helden des Alltags entpuppt: Seien es die vielen ehrenamtlichen Erst- und Zweithelfer, seien es Merkel und Abbas auf der Solidaritätsdemo, seien es die vielen Freunde ungenutzter Freiheiten in gut gepolsterten Redaktionszellen. Unter ihnen sicher nicht der letzte ist Martin Perscheid, Witzbildzeichner aus Wesseling. Pünktlich am Vorabend des Jahrestags wagte es Perscheid, die unbequeme Wahrheit auszusprechen und hinzumalen: nämlich daß Araber mit Vorliebe deutsche Mädchen schänden (s.u.). Und damit niemand Zweifel an dem Heldenmut hat, den’s zu dieser Aussage braucht, postete er gleich noch die Erklärung: »Sorry, beim letzten Eintrag ist uns ein Fehler unterlaufen – der sollte eigentlich erst am Donnerstag gepostet werden. Ihr wißt schon – der 7. Januar!«
Perscheid und sein Vorbild Charlie Hebdo – die beiden trennen nur Details. Riesige, unübersehbare Details: Denn wo sich die Pariser, neben harter Islamkritik, stets auch gegen den Rassismus der weißen Mehrheitsgesellschaft gestellt haben, so daß man weder als Le-Pen-Anhänger noch als Islamist seine rechte Freude an dem Blatt haben konnte, schafft es Perscheid nicht nur, die Triebhaftigkeit von Arabern ins Bild zu setzen, sondern auch die belästigten Frauen noch einmal zu Objekten zu machen. Und läßt dabei keinen Zentimeter Interpretationsbreite, keinen Raum für eine möglicherweise antirassistische Auslegung. Was hier geboten wird, ist Pseudo-Verharmlosung: das ironische Mißverstehen von Gewalt als Gebärdensprache, die (von niemandem geteilte) Verwechslung von sexueller Belästigung mit kultureller Differenz. Der Vorwurf geht also in die Richtung jener, die in rechter Umgangssprache »Multikulti-Träumer« oder »Gutmenschen« heißen. Im Gegensatz dazu ist die jüngste Charlie-Zeichnung, die den toten Flüchtlingsjungen Aylan überleben und zum Grabscher werden läßt, ambivalenter: Etwas Harmloses, Mitleiderweckendes wird zur Gefahr von morgen aufgeblasen, die gerade noch verhindert wurde. Eine Phantasie also, die in die Köpfe von Rassisten hineinsieht.
Was den Mut angeht: Charlie Hebdo wagte sich mit Islam- und Mohammedwitzen heraus, als diese noch brandgefährlich waren; selbst nach den ersten, noch unblutigen Anschlägen machte Charlie unverdrossen weiter. Perscheid hingegen bringt seinen Witz zu einer Zeit, da 60 Prozent der Deutschen für Abschiebung und Rübe ab sind – und sich dabei sicherlich für ähnlich heldenhaft halten wie der Cartoonist, der sich jetzt in Pegida-Foren neue Fans holt. Gratulation.