Humorkritik | März 2014

März 2014

Thomas Bernhard, gefleddert

Zum fünfundzwanzigsten Mal jährte sich im Februar der Todestag von Thomas Bernhard, und wie es der Zufall will, erschien pünktlich »Die Murau Identität« (ohne Bindestrich, Verlag: Metrolit) von Alexander Schimmelbusch. Im Buch werden dem Ich-Erzähler und abgehalfterten Autor Schimmelbusch unbekannte Reiseberichte des Verlegers Siegfried Unseld zugespielt, aus denen hervorgeht, daß Bernhard seinen Tod mit Unselds Hilfe 1989 nur vorgetäuscht hat und seither unter dem Alias Franz-Josef Murau (vgl. Bernhards »Auslöschung«) vor allem auf Mallorca und in New York City verkehrt. Abwechselnd bekommt der Leser Unselds Berichte über Bernhards Leben nach dem Tod und Schimmelbuschs Abenteuer auf den Spuren des Untergetauchten vorgesetzt – und weiß am Ende nicht so recht, was er damit anfangen soll: Der Erzähler Schimmelbusch legt ein ungeheures Tempo vor, allerdings nur, um zu beweisen, daß er in Sachen zeitgenössischer Popkultur, Medien- und Literaturwelt schon von allem mal gehört hat, und um alle paar Seiten von einem First-Class-Flug oder oraler Befriedigung durch Harvard-Absolventinnen zu berichten. Auch die Unseld-Passagen gleichen sich dem Powersprech Schimmelbuschs im Verlauf immer mehr an und langweilen dann als Porträt eines trinkfreudigen, weiberseligen Verlegers. Und Thomas Bernhard? Der kommt viel zu kurz. Nur am Rande erfährt man von dessen Ehe mit einer gewissen Esmeralda und der späteren Scheidung (nicht weiter ausgeführt), seinem aus dieser Ehe hervorgegangenen Sohn Esteban (ein Wall-Street-Banker, nicht weiter ausgeführt) sowie seinem letzten Werk »Ánima Negra«, das autobiographisch von Ehe und Familie handeln soll (jedoch nicht weiter ausgeführt wird). Freilich ist mir nicht entgangen, daß der Autor hie und da den unausweichlichen »Ohrensessel« und andere Bernhardiana untergebracht hat, »naturgemäß«. Doch wenn der Erzähler im letzten Kapitel endlich dem alten Bernhard begegnet und der dann aber nur zu einer halbherzigen und kraftlosen Erregung über das Kleinbürgertum im Verlagsgeschäft ausholt, bin ich fast wieder versöhnt damit, daß dieser wunderbare Schriftsteller bereits seit 25 Jahren tot ist.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella