Humorkritik | März 2014
März 2014
Porträt des Fälschers als böser Mann
Der Fall Beltracchi hat komische Seiten; leider sind nur wenige davon im autobiographischen Buch »Selbstporträt« (Rowohlt) nachzulesen. Ich empfehle exemplarisch S. 474ff, ein Kapitel, das dem Experten Werner Spies gewidmet ist, der unbeeindruckt von naturwissenschaftlichen Analysen Wolfgang Beltracchis Fälschungen für echt erklärte und dafür Honorare kassierte, die sich umgekehrt proportional zu seiner Trefferquote verhielten.
Schade, daß das Gaunerpärchen Helene und Wolfgang im Buch mit den meisten Opfern seiner Betrügereien schonend umgeht: Wie Kenner und Käufer, Vermittler und Verkäufer, Sachverständige und Sammler gleich reihenweise auf die Nachschöpfungen des Fälschers hereingefallen sind, hätte sich mit mehr Sinn für Situationskomik und weniger juristisch bedingter Rücksichtnahme amüsanter darstellen lassen. Lehrreich ist die Karriere der Autoren allemal; seine klammheimliche Freude daran hat aber offenbar nur, wer dem Kunstbetrieb so fern steht wie ich. Höchst pikiert klang nämlich die Reaktion eben dieses Betriebs auf Beltracchis Bloßstellungen: Zeit, FAZ /FAS und SZ bildeten eine breite Phalanx gegen den Verräter, hochromantische Kunstbegriffe wurden da entstaubt, hagiographische Künstlerlegenden gestrickt, pathetische Passionsspiele wiederaufgeführt, um Wolfgang Beltracchi ordentlich zu schulmeistern. Mangelnde Ernsthaftigkeit und fehlenden Leidenswillen verzeihen die Gouvernanten des deutschen Feuilletons offenbar keinem.
Die Verblendungsbereitschaft der Leidtragenden, meist schwer zu unterscheiden von schnödem Profitstreben, wird dagegen geflissentlich übersehen, Spuren von Selbstkritik verschwinden unter Strömen von Selbstmitleid. Aber natürlich kann man auch diese kultivierte Form von Heuchelei ganz drollig finden.