Humorkritik | Juni 2014

Juni 2014

Kleines Latenight-Update

Damit hat am Ende fast niemand mehr gerechnet: David Letterman geht mit Erreichen des US-Renteneintrittsalters und nach über 4000 Ausgaben seiner »Late Show« in den Ruhestand. Natürlich nicht sofort, sondern »irgendwann 2015«. Gespannt bin ich darauf, was der vor kurzem annoncierte Nachfolger Stephen Colbert aus der Sendung machen wird: ob er als sein konservatives, einfältig-steifes »Colbert Report«-Alter ego oder als noch zu erfindende Kunstfigur das Format der Spätshow neu auslotet, oder ob er sich unter Wert verkauft, um sich als jüngere Letterman-Kopie bei der ehrwürdigen alten Tante »Late Show« unterzuhaken. Ich tippe auf Letzteres. Bleibt zu hoffen, daß Colbert seine Könnerschaft wenigstens im von Haus aus faden Interviewteil behaupten können wird.

Apropos fad: Allzu routiniert erscheint mir inzwischen Conan O’Brien in seiner TBS-Show »Conan«. Die regelmäßigen Non-sequitur-Einlagen von einst sind immer dünner gesät und erwartbaren Standardrubriken gewichen, jeder Satz ist gescripted, die Claqueure im Saalpublikum täuschen nur mehr auf Stichworte (»Star Wars!«; »recreational marihuana!«) Begeisterung vor.

Gemausert hat sich hingegen Jimmy Fallon, seit er im Februar die »Tonight Show« von Jay Leno übernommen hat. Versuchte »Late Night with Jimmy Fallon« noch krampfhaft, sich mit Witzen über I-Phone-Apps und quälend langen Tanz-Wettbewerben an ein junges Publikum ranzuwanzen, ist die »Tonight Show« deutlich politischer geworden und schafft es sogar hin und wieder, Musikhumor erträglich zu machen.

Fallons Nachrücker Seth Meyers wiederum ist noch damit beschäftigt, »seine Linie zu finden«, wie man so sagt. Acht Jahre als Nachrichtenansager bei »Saturday Night Live« haben ihre Spuren hinterlassen: Der Late-Night-Host trägt seinen Einstiegsmonolog wie ein Anchorman vor – was schade ist, da mir die Witze darin recht gut gefallen. Und wenn Meyers am Schreibtisch ein paar Schrullen aus seinem Privatleben erzählt, wirkt das mehr aufgesetzt als locker.

Was also gibt’s Neues? Nichts. Mittelalte weiße Männer ersetzen andere mittelalte weiße Männer und produzieren austauschbare Kurzweil. Traurig machte mich noch die Mitteilung, daß Craig Ferguson Ende des Jahres seinen Hut nimmt. Wer nicht weiß oder mir nicht glaubt, daß »The Late Late Show with Craig Ferguson« das wohl wahnsinnigste und unvorhersehbarste Nachtprogramm Amerikas war und ist, überzeuge sich bitte sofort per Youtube, wo ein neunstündiges (!) Best-of-Video auf Begutachtung wartet. Gegönnt sei dem Schotten indes sein Ruhegeld: Per Vertrag hatte sich Ferguson fünf Millionen Dollar Entschädigung für den Fall zusichern lassen, daß er nicht in Lettermans Fußstapfen tritt.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg