Humorkritik | Juni 2014

Juni 2014

Holbeins neues Holz

Zu Ulrich Holbein habe ich anläßlich seines Buches »Ein Chinese in Rom. Jean Paul & Goethe: Ein untendenziöses Doppelporträt« bereits Zutreffendes geäußert; wann war das noch gleich? Ach ja, im April letzten Jahres, Heft 04/13. »Mehr als gelegentliche Kurzbesuche« in Holbeins fröhlich-chaotischem Kosmos konnte ich damals nicht empfehlen. Das Doppelporträt hatte 320 Seiten. Holbeins neues Werk »Mehr Grün! Ein Dschungelbuch zwischen Kahlschlag und Stadtbegrünung« hat 90 Seiten und empfiehlt sich damit für genau jenen Kurzbesuch, den ich anriet. Sofern man sich von Wildwuchs nicht schrecken läßt. Denn das »Grün«-Buch ist wieder alles auf einmal: Pro-Baum-Pamphlet, Aphorismensammlung, Sprachkunstwerk und Geschichtsunterricht. Holbein klärt auf, daß der Weg vom Paradiesapfel zum brennenden Dornbusch den »entwicklungspsychologischen Übergang vom gierigen Kindermund zum kontemplativen Erwachsenenauge« markiere, also die Überwindung der oralen Phase; reitet eine Polemik gegen die Darstellung eines bartlosen Buddhas (»mythologisch eigentlich ein Unding!«), und teilt mit, warum es »hylozoistischen und panpsychistischen Theorien zufolge« keine Elfen mehr gibt: »Weil keiner mehr im Wald onaniert«. Dem Thema »Baum« entwurzelnd, ästelt das Buch alsbald in Nebenthemen aus (wucherndes Körperhaar, grüne Parteien, Beschneidung, Seraphim, Cherubim) und beantwortet so manche Frage: War Sartre ein schlimmerer Pflanzenhasser als Ronald Reagan und Sankt Bonifatius? War Xerxes dendrophil (= baumliebend)? Und wie kamen Adam und Eva zu ihren Feigenblättern, wo doch im Paradies bloß ein Apfelbaum stand? »Nur die Nordhalbkugel lag noch äonenlang flächendeckend im Sumpfwald, viel zu dunkel, um sich in Holzaxtproduktion zu verausgaben, alle Urwaldriesen ungekämmt ineinander verfilzt, unaufdröselbarer als manch ein methusalemischer Prophetenbart, worin Zaunkönige hüpften und brüteten, lang bevor es Könige und Zäune gab.« Ungekämmt ist manchmal auch der Sinnzusammenhang bei Holbein, hier aber nicht – dies nur zur Erläuterung, falls Ihnen die »Holzaxtproduktion« im Sumpfwald gegen den Strich geht. Denn: »Um den ersten Baum per Axt zu fällen, mußte man einen Baum ohne Axt fällen, um Holz für den Stiel der ersten Axt zu bekommen.« Ergo: Der Wald produziert seine Äxte. Der Wald sägt an dem Ast, auf dem er – aber das ist nun doch zu doof.

Erschienen ist »Mehr Grün!« im »think Oya-Verlag«. Ein großer Spaß, streckenweise. Graue Zellen brauchen Sie beim Lesen natürlich schon. Aber denen schadet ein bißchen Begrünung ja auch nicht.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg