Humorkritik | Juni 2007

Juni 2007

Do-it-yourself-Karikaturen

Das Hinscheiden der politischen Karikatur, wie sie im größeren Teil deutscher Tageszeitungen immer noch regelmäßig vorkommt, ist nicht zuletzt an dieser Stelle schon allzu oft diagnostiziert worden; allein: Immer weiter finden achtelbegabte Zeichner ihr Brot, indem sie neben belämmert dreinschauende Zipfelmützenträger namens »deutscher Michel« junge Damen mit der Aufschrift »Eu­ropa« auf klapprigen Stieren mit der Aufschrift »EU-Mißwirtschaft« oder weißichwas ins Bild setzen, ganz zu schweigen von dem Sonderfall Steiger, dessen kryptische Variante der politischen Karikatur das Metier via FAZ in ganz neue Höhen bzw. Tiefen getragen hat – doch will ich diesen Klagegesang hier nicht ein weiteres Mal anstimmen. Sondern lieber ganz handfest belegen, daß selbst karikaturistische Laien wie z.B. TITANIC-Leser bessere Scherze zu machen in der Lage sind als ihre professionellen Konkurrenten.

 

Am 3. Mai hatte der Hauszeichner der Süddeutschen Gabor Bendek einen Abgrund an Langeweile in Druck gegeben: Ein türkisches Ehepaar mit Koffern, ratlos vor einem großen Fels stehend, der ihm den Weg versperrt; auf dem Fels steht »Deutsche Werte«, ein Schild hinter dem Trumm weist Richtung »Integration«. Noch verschnarchter hätte man den Umstand, daß dem einen (Integration) etwas anderes (deutsche Werte) im Weg steht, zeichnerisch keinesfalls umsetzen können, Benedeks Karikatur darf mithin als prototypisches Werk gelten – und als Glücksfall für TITANIC online. Denn mittels Internet-Zaubertechnik konnten (und können) auf der Webseite dieses Heftes nun beliebige Worte auf Stein und Wegweiser gesetzt werden, und aus der gewaltigen Menge komischer Varianten seien hier nur mal einige angeführt, die mich laut auflachen ließen: Da waren die geradeheraus komischen Kombinationen »Johannas Midlife-Crisis« (Stein) und »lustiger Abend« (Schild), »tierliebe Kinder« (Stein) und »Kaninchen zum Mittag« (Schild), »Offener Hosenstall« /»Bewerbungserfolg«, »Sterbehilfeverbot« /»ruhiger Abend«. Sehr schön auch: »Her­stellungskosten« /»Knoblauch-Wunderbaum«, »Störrische Tiere« /»Sodomie« und »Hasenkostüm« /»würdevoll Altern« oder »warmes Bier« /»Vollrausch« und »Vorspiel« /»Sex«, wobei die beiden letzten Beispiele hier stellvertretend für viele stehen, denn die Affinität des durchschnittlichen TITANIC-Lesers zu Alkohol und Sex ließe sich an den im Netz hinterlegten Karikaturen ohne weiteres ebenfalls belegen. Schön auch Enigmatisch-Komisches und Metaquatsch wie »Käse« /»Bahnhof«, »Orang Utan« /»Fruchtbecher« und »Schwanger­schaftsberatung« /»Rechts­extremismus«; sogar Bildungsklassiker wie »Aspera« /»Astra«, und »Verblendungszusammenhang« /»Revolution« waren um Lichtjahre komischer als das Original von Benedek.

 

Daß dieses Spiel auch mit beliebigen anderen Polit-Karikaturen funktioniert, wird in Kürze auf der TITANIC-Webseite zu belegen sein; wer es selbst mal probieren möchte, findet dazu Gelegenheit unter  http://www.titanic-magazin.de/karikaturen_baukasten.html.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner