Humorkritik | Juni 2007

Juni 2007

Über das Volksvermögen

Daß nicht zwangsläufig nur Unfug herauskommen muß, wenn Hinz und Kunz gemeinsam Texte verfassen, die dann von Krethi und Plethi nach Belieben umgeschrieben werden, beweist die Internet-Enzyklopädie Wikipedia recht eindrucksvoll. Unter den zahlreichen Ablegern und Nachahmern gibt es seit 2004 /2005 gleich drei Websites (uncyclopedia.org, kamelopedia.mormo.org und stupidedia.org), die ausdrücklich danach verlangen, von allen, die sich befähigt fühlen, mit wie auch immer geartetem Komischem und Satirischem gefüllt zu werden – ein Angebot, das auf reichlich Nachfrage stößt: Zusammengerechnet mehr als 40 000 Artikel haben sich bislang angesammelt und bieten eine vortreffliche Gelegenheit, sich einen raschen Überblick zu verschaffen, wie es um die Komikproduktion als Volkssport aktuell bestellt ist.

 

Erwartungsgemäß sind sehr, sehr viele Beiträge von einer Qualität, daß sich beim Lesen leis die Nasenhaare kräuseln; doch da bin ich ausnahmsweise nachsichtig: Als Zaungast an einem Bolzplatz darf man sich ja auch nicht beschweren, wenn man keinen Weltklassefußball zu sehen bekommt. Der Sinn und Zweck der Seiten besteht vornehmlich darin, daß sie jedem die Möglichkeit eröffnen, das eigene Talent zum Komischen auszuloten und dem Urteil anderer auszusetzen. Komik ist nicht zuletzt Handwerk, also Übungssache, und hier darf geübt werden. Dem Humorstandort Deutschland kann das nur zuträglich sein.

 

So weit reicht meine quasibundespräsidiale Langmut dann allerdings auch wieder nicht, daß ich für den arg betulichen Witz, der bei der Kamelopedia vorherrscht, freundliche Worte übrig hätte; die dort grassierende Marotte, möglichst oft den Begriff »Kamel« unterzubringen, macht die Lektüre vollends anstrengend. Wenn von der »Bundeskamelanzlerin Kamelia Merkel« die Rede ist, die »Kamelkandidatin der Kamelunionsparteien für die Kameltagswahl 2005« war, muß selbst der wohlwollendste Leser eingestehen: Hier ist Hopfen und Malz so was von verloren, daß man lieber sofort zu Stupidedia wechselt. Hier sind die Autoren, dem manchmal allzu tolldreisten, unkontrollierten Tonfall nach zu urteilen, im Durchschnitt um einige Jahrzehnte jünger, und manch einer wurde offenbar entscheidend vom MAD-Magazin sozialisiert; doch für ein Weilchen klickte sich der alte Mentz nicht ohne Vergnügen durch die versammelten Dokumente jugendlichen Übermuts.

 

Sehr viel mehr Zeit brachte ich allerdings in der Uncyclopedia zu, der »content-free encyclopedia that anyone can edit«. Nicht nur, weil sich hier die vergleichsweise reifsten und begabtesten Autoren zusammengefunden haben, sondern vor allem, weil die Seite international ist und Beiträge in rund vierzig Sprachen enthält. Soweit die Fremdsprachenkenntnisse tragen, kann man so auf Knopfdruck vergleichen, zu welchen Scherzen auf englisch, deutsch, französisch und so weiter bis hin zu persisch, chinesisch und vietnamesisch ein bestimmter Begriff anregt. Ich bin nun also im Bilde, wie sich der litauische vom madegassischen Humor unterscheidet, werde es Ihnen, lieber Leser, aber nicht darlegen, sondern möchte Sie, ganz im Geiste der Wikipedia, ermuntern: Lassen Sie sich nicht ständig von den Printmedien bevormunden – finden Sie einfach mal selber was raus, werden Sie Un-Enzyklopädist!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg