Humorkritik | Juli 2007

Juli 2007

Hund beißt Mann

Daß es auch ohne Sacha Baron Cohen geht, hat Cohens langjähriger Ko-Autor und Produzent Dan Mazer in seiner ersten Regiearbeit bewiesen: »Dog Bites Man« lief letztes Jahr in neun Folgen im amerikanischen Comedy Central und funktionierte ähnlich wie die »Ali G.-Show« und natürlich »Borat«. »Dog Bites Man« erzählt die fiktionale Geschichte eines fiktionalen Fernsehreporterteams, das Lokalnachrichten für einen kleinen fiktionalen Fernsehsender dreht – mit echten, ahnungslosen Menschen, die keine Ahnung haben, daß das Team aus dem wichtigtuerischen Reporter Kevin Beekin, seiner zickigen Produzentin, dem einfältigen Produktionsassistenten und einem schläfrig-tumben Regisseur nicht echt ist. Und sich entsprechend wundern, wenn etwa dem Reporter und seiner Produzentin ein Streit über eine gemeinsame, längst beendete Affäre ein vernünftiges Interview unmöglich macht.

 

In »Dog Bites Man« gelingt Mazer dabei, was bei »Borat« zunächst irritierte: daß Spielhandlung und improvisierte Szenen gleichberechtigt nebeneinander stehen und dennoch eine Einheit bilden können, sobald man als Zuschauer ungefähr durchschaut hat, wer da schauspielt und wer nicht. Unsichtbares Theater also und sehr komisches, weil Matt Walsh in seiner Rolle als pseudoinvestigativer Lokalreporter völlig aufgeht, der z.B. während des »Spring Break« eine Gruppe Jugendlicher interviewt und einem unvermittelt einen kleinen Ball zuwirft: »That’s AIDS you catched there! See how easy it is to catch AIDS? – Did this change your way to look at things?« – »No.«

 

»Dog Bites Man« bleibt, und das ist nach dem im Grunde hochmoralischen »Borat«-Film recht angenehm, dabei immer sehr leicht, weil es nicht darum geht, amerikanische Verhältnisse zu entlarven. Die verdutzte Öffentlichkeit ist nicht Gegenstand einer Versuchsanordnung, sondern gleichberechtigter Part einer Improvisation, die eben nicht wie ein gecastetes, geschriebenes und gespieltes Stück Fernsehen wirken soll, sondern so authentisch-dokumentarisch wie etwa »Curb Your Enthusiasm«.

 

Der Gestus des Vorführens, wie ihn Michael Moore perfektioniert hat, wird geradezu parodiert: In einem Stück schickt das Team den matten Regisseur und den als Homosexuellen überverkleideten Beekin nacheinander los, ein identisches Sandwich zu bestellen; sie stürmen voller Entrüstung zurück in den Laden, als sie feststellen, daß der Regisseur vier Scheiben Käse auf seinem Brot hat, der »schwule« Beekin aber nur zwei. Verkäufer: »Well, he asked for extra cheese.« Beekin zum Regisseur: »Did you?« Regisseur: »Yeah… It’s a habit.« Bleibt dem Team nur, sich zu entschuldigen und am Ende der Reportage festzustellen, daß alle Schwulenfeindlichkeit in Amerika für immer verschwunden zu sein scheint – schönes Ergebnis einer sehr schönen Serie.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg