Inhalt der Printausgabe
Juli 2003
Humorkritik
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In der Kürze liegt die Würze, hat Shakespeare behauptet ("Brevity is the soul of wit"), aber jeder, der sich durch das Stück, aus dem dieses Zitat stammt - "Hamlet" - gearbeitet hat, weiß, daß der Schwan aus Stratford diese Bemerkung nicht ernst gemeint haben kann. Shakespeare gilt zwar als Komödienautor, aber wirklich witzig wird es erst, wenn man seine Werke humortechnisch nachbearbeitet (Lubitsch et al.). Getreu diesem Prinzip hatten sich die drei Kalifornier Adam Long, Daniel Singer und Jess Borgeson in den achtziger Jahren vorgenommen, alle 37 Dramen Shakespears an einem Abend aufzuführen. Am Ende schafften sie das Pensum in respektablen 97 Minuten, wobei man ihnen anrechnen muß, daß sie sich den ganzen Abend vor "Hamlet" drückten und das Werk am Ende in dreißig Sekunden abfertigten. Natürlich geht es in "The Compleat Works of Wllm Shkspr (abridged)" nicht darum, dem Dramatiker gerecht zu werden; die Stücke werden entstaubt und als Rohstoff für Burlesken genutzt. In der Urfassung agierten die drei Autoren auf der Bühne in allen Rollen, was zur Folge hatte, daß in guter shakespearescher Tradition auch Frauen von Männern gespielt wurden; so gab denn ein Darsteller den Romeo, einer die Julia und der dritte wohl oder übel den Balkon. Othello rappte, was Anfang der achtziger Jahre originell war, und in "Macbeth" wurden mit dem schottischen Akzent und den unzähligen Macs vielerlei Scherze getrieben. Die "Compleat Works" wurden über die Jahre auf der Bühne weiterentwickelt und ausgefeilt, die Truppe nannte sich, in Anlehnung an das britische Original, "Reduced Shakespeare Company" und präsentierte Ende der achtziger Jahre auf dem Theaterfestival in Edingburgh ein ausgereiftes Stück Slapstick. Bevor sich die drei Autoren von der Bühne zurückzogen, veröffentlichten sie 1993 ihr Werk beim Bühnenverlag Applause Books. Diese Edition ist nicht nur eine recht genaue Transkription der Bühnenversion, sondern auch eine schöne Parodie auf die übliche Shakespeare-Präsentation: In dem Buch wimmelt es von Vorworten, der Text ist mit Tausenden Fußnoten gespickt, und gewidmet ist das Werk "all jenen wack'ren Mimen, die bei der Aufführung von Shakespeare ihr Leben lassen mußten". Heute gibt es von der Reduced Shakespeare Company Niederlassungen in England und den USA. Reed Martin ist der einzige Schauspieler, der noch mit den Gründern zusammen auf der Bühne stand. Über das Tourneeprogramm kann man sich unter www.reducedshakespeare.com informieren. Die "Compleat Works" werden auch gern von englischsprachigen Bühnen deutscher Großstädte aufgeführt; daneben gibt es eine deutsche Übersetzung: "Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)" wurde hier an einigen Kammerbühnen aufgeführt. Auch wenn diese Inszenierungen in der Regel nicht an das Original heranreichen - das Stück ist durchaus sehenswert. In diesem Jahr wurde die RSC 22 Jahre alt; neben den gesammelten Werken gibt es inzwischen auch die Geschichte Amerikas und die Bibel an einem Abend. Ich kenne diese Werke zum Glück nicht, denn ich befürchte, daß sie deutlich hinter dem Original zurückbleiben - die Methode ist gar zu durchsichtig. Aber das soll das Lob für die Klassikertuner nicht schmälern. |
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