Inhalt der Printausgabe

Juli 2003


Humorkritik
(Seite 7 von 9)

Pointen-wirksam

Es soll Leute geben, die über einen Witz erst lachen können, nachdem er ihnen erklärt wurde. Diese Leute nennt man Komiktheoretiker. Auf nichtakademische Lebensformen mag diese hochspezialisierte Spezies, für die der Spaß erst anfängt, wenn sie ihm auf den Grund gehen kann, bizarr wirken. Um so mehr, wenn aus ihrer ökologischen Nische solche für das normale menschliche Ohr nahezu unverständlichen Laute dringen: "Genau dann, wenn ein Text (1) inkongruente Elemente aufweist, die durch ihren (2) unvermuteten Zusammenhang sinnvoll erklärt werden können, und wenn dieser Text (3) tektonisch und (4) konzise und zusätzlich (5a) kondensiert oder auch (5b) gebrochen kohärent oder auch (5c) uneigentlich präsentiert ist, dann ist er pointiert und kann pointen-wirksam sein."
Pointe ist, wänn lacht, würde vielleicht ein Klitschko sagen. Daß Ralph Müller in seiner "Theorie der Pointe" (mentis-Verlag) es komplizierter sagt, liegt daran, daß ein Komikwissenschaftler es möglicherweise nicht besser, aber mit Sicherheit genauer weiß. Wer es ähnlich genau wissen will, kann bei ihm nachlesen, was die Lachforscher von Aristoteles bis heute über Komik und Pointe zusammengedacht haben, was es mit der Pointe in Witz, Epigramm, Anekdote, Aphorismus und Sketch auf sich hat und daß man nicht erst heute, wo ein fixer Amerikaner das "Handwerk Humor" zu lehren sich versteigt, sondern bereits im Barock über Pointenerfindungsmethoden grübelte, die Ergebnisse aber schon damals nicht befriedigen konnten: "Wieso kann ein hungriger Löwe die Beute verschonen? / Weil du, Cäsar, es ihm befohlen hast. Darum kann er." Was wohl eher ein Beispiel für eine Pointenvermasselungsmethode ist.
Es soll eine Menge Studiosi geben, die meine "Humorkritik" lesen und womöglich eines Tages in jene ökologische Nische wechseln. Für sie ist dieses Buch. Für unpromovierte Menschen und solche, die es nicht werden wollen, ist es weniger.



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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt