Inhalt der Printausgabe
Juli 2003
Humorkritik
(Seite 5 von 9)
Tischler Kafka |
Er habe einmal davon geträumt, "als Landarbeiter oder Handwerker nach Palästina" zu gehen, soll Franz Kafka 1920 zu Gustav Janouch gesagt haben. Und: "Ich liebe die Arbeit in der Werkstätte. Der Geruch des gehobelten Holzes, das Singen der Säge, Hammerschläge … Es gibt nichts Schöneres als so ein reines, greifbares, allgemein nützliches Handwerk. Außer in der Tischlerei habe ich schon in der Landwirtschaft und in der Gärtnerei gearbeitet. Das war alles viel schöner und wertvoller als der Frondienst in der Kanzlei ... Intellektuelle Arbeit reißt den Menschen aus der menschlichen Gemeinschaft. Das Handwerk dagegen führt ihn zu den Menschen." Als ich das jetzt zufällig zum zehnten Male las, fiel mir erstens auf, daß Kafka hier den klassischen "Monolog des morganatischen Maurers" von Max Goldt vorweggenommen hatte ("Ich muß sagen, ich liebe meine Arbeit. Stein um Stein zusammenzufügen, zu betrachten, wie durch meiner Hände formendes Wirken allmählich eine Heimstatt heranwächst…") Und zweitens, daß ich 1920 in Palästina gerne von ferne den Tischlerlehrling Franz Kafka bei der Arbeit beobachtet hätte. Wie seiner Hände formendes Wirken den Geruch des gehobelten Holzes heraufbeschworen hätte und wie dann aber in der Mittagspause ein vierschrötiger Zionist das Werk des Tischlers Kafka begutachtet und ihm drei Watschen verabfolgt hätte - eine für das verdorbene Holz, eine aus Prinzip und die dritte als Dreingabe. Es ist wahr, das Tischlern hätte Kafka zu den Menschen geführt, aber zu was für welchen? Für die Schönheit des Singens der Säge hätten sie kein Ohr gehabt, und so war es sicherlich für alle Beteiligten das beste, daß die zionistischen Tischler unter sich blieben und Franz Kafka als Angestellter in Prag. |
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 |