Inhalt der Printausgabe
Juli 2003
Humorkritik
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Herzsprung |
Zu den Gewißheiten über Autofahrerinnen gehört, daß sie weder einparken noch Karten lesen können; vielleicht liegt das ja daran, daß sie beim Fahren zuviel dichten. An der Autobahn zwischen Hamburg und Berlin gibt es eine Abfahrt mit dem schönen Namen "Herzsprung". Im Zuge der Wiedervereinigung nahm der Verkehr zwischen der Haupt- und der Hansestadt zu. Das ist auch für die Literatur nicht ohne Folgen geblieben. Vermutlich kam die aus dem Osten Berlins stammende Regisseurin Helke Misselwitz als erste während einer Fahrt an die Elbe auf den Gedanken, daß "Herzsprung" doch ein sehr schöner Filmtitel wäre. Jedenfalls nannte sie Anfang der neunziger Jahre ihr Spielfilmdebüt "Herzsprung". Der Film geriet in Vergessenheit, aber ein Titeltrend war geboren. Einige Jahre später legte die Hamburger Autorin Brigitte Blobel nach. Man kann unterstellen, daß auch sie per Auto zwischen Berlin und Hamburg unterwegs war. Vorläufiger Höhepunkt ist der "Herzsprung"-Roman der Stern-Redakteurin Ildikó von Kürthy; ein Werk, das schon deshalb in dieser Rubrik Erwähnung verdient, weil es zu den großen unfreiwillig komischen Romanen unserer Zeit gehört. An der Autobahn zwischen Berlin und Frankfurt/Oder gibt es eine Abfahrt mit dem Namen "Müllrose". Im Zuge der EU-Erweiterung wird auch diese Stelle immer häufiger von Dichterinnen passiert werden. Wir sollten uns schon jetzt auf einige bahnbrechende Werke mit diesem Titel freuen. |
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