Überschätzte Lebensmittel (XXI)
Heute: Rucola
Ein Gorilla lernt, so heißt es, durch mimetisches Verhalten, durch die Nachhahmung älterer, erfahrenerer Affen, zwischen bis zu 200 genießbaren Pflanzenarten zu unterscheiden und die giftigen und ungenießbaren in weiser Voraussicht zu verschmähen. Was hingegen macht der Mensch? Noch im 21. Jahrhundert verdirbt er sein Essen mit dem Ungenießbarsten, was die bisweilen garstige, ja regelrecht verachtenswerte Natur einst wohl aus reinster Schadenfreude hervorbrachte: Rucola. Weil als Brechmittel nicht zugelassen (zu starke Wirkung), suchten Pharmakonzerne andere Möglichkeiten, das Kotzkraut unters Volk zu bringen und spekulierten schon damals auf die Wesensverwandtschaft der Menschen zu den Affen. Mit Erfolg. Über wenige Generationen hinweg haben Rucola-Gewächse einen zerstörerischen Siegeszug hingelegt, der in dieser Form nur damit erklärbar ist, daß sich zahlreiche Menschen durch jahrelange Nachhahmung um den Geschmack und nicht selten auch sprichwörtlich um den Verstand gegessen haben.
Daß Rucola gerade in Deutschland kaum auf kulturellen und moralischen Widerstand stößt, verwundert nicht weiter, haben die Vorfahren und Vorbilder der Deutschen, die Germanen, doch bereits anno dazumal Rucola verwendet, in dem Glauben, ein Potenzwunder in ihren groben Wichs-Pranken zu halten. Rucola ist teuflisch, gerade in seiner Vielfältigkeit. Rucolasalat, das ist blattgewordenes Leid, Sinnesfeindlichkeit mit Dressing, die wahre grüne Hölle. Alle Nachsagungen angeblich gesundheitsfördernder Eigenschaften des Krauts sind als blanker Hohn zu verbuchen und nichts anderes als in kulinarisch-medizinische Sophisterei gepackte Menschenverachtung. Denn merke: Wen nur noch Rucola am Leben halten kann, der ist mit dem Tod gut bedient.
◀ | Die Höhepunkte aus 20 Jahren Ebay | Aktuelle Flüchtlingszahlen | ▶ |
Newstickereintrag versenden…