Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (53)
Na ja. Daß aber P. nun Petra war, mußte wohl angenommen werden, auch wenn Kurtchen die Nummer nicht kannte und sich auch nicht erinnern konnte, sie überhaupt herausgerückt zu haben, nein, herausgerückt war das falsche Wort; denn so vorsichtig er mit seinen privaten Daten im Grundsatz auch hantierte – weniger aus der Angst vor dem Überwachungsstaat, der wußte sowieso alles, als in der Überzeugung, daß eine Kontonummer sowenig in die Öffentlichkeit gehört wie ein Penis oder Ina Müller –, so sicher war er aber doch, daß ihm das gestern abend wurscht gewesen war und daß er, wie er sich kannte, wahrscheinlich sogar darauf bestanden hatte, über die großzügige Mitteilung seiner Telefondaten dem oberflächlich rein freundschaftlichen tête-à-tête einen Dreh ins prospektiv Intime zu verleihen. Allein daß er sich nicht an den Akt als solchen erinnern konnte, irritierte ihn; fast schien's, als habe der Laternenmast doch seine Spuren hinterlassen, und Kurtchen, der ein bißchen erschrocken war, rief rasch und probehalber ein paar im Kopf gespeicherte Daten ab, um sich seiner geistigen Fähigkeiten zu versichern: Name, Geburtstag, Geburtstag der Mutter, Name des Hundes, den er bei seiner Führerscheinprüfung überfahren hatte (den Lappen hatte Kurtchen damals trotzdem bzw. überhaupt deshalb gekriegt, weil der Prüfer nämlich Hunde haßte), Sozialversicherungsnummer. An seine Sozialversicherungsnummer erinnerte sich Kurtchen allerdings überhaupt nicht, aber das tat er nie, das mußte ihm keine Bange machen. Er wußte ja auch die Nummer seines Personalausweises nicht auswendig, eine Fähigkeit, die praktisch auch nahezu wertlos ist, während es ihm durchaus nützlich vorkam, die Nummer seiner Kreditkarte auswendig zu können. Kurtchen wollte den Plan, seine Kreditkartennummer auswendig zu lernen, bis Silvester konservieren, um nicht ohne Vorsätze ins neue Jahr zu müssen; es schien ihm dies ein durchaus guter Vorsatz zu sein, denn rauchen tat er schließlich nicht genug, daß es des Abgewöhnens wert gewesen wäre, und Italienisch lernte er in diesem Leben eh nicht mehr, auch wenn er bei Lucio Dalla sehr gern mitgesungen hätte. Es gab Leute, die lernten Deutsch, um Hegel im Original zu lesen, und er brachte es nicht einmal fertig, sich die mittlere Menge Italienisch draufzuschaffen, die man zum Mitsingen eines canzone brauchte. Kurtchen fiel das Wort Bildungsfleiß ein. Aber er war schließlich nur ein Klempner, und welcher Klempner konnte schon Italienisch?
Andererseits hörte auch kein Klempner Lucio Dalla.
Das Klingeln des Festnetztelefons riß Kurtchen aus seinen überflüssigen Überlegungen. (wird fortgesetzt)
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