Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (32)
"Ooooch", machte Kurtchen und blies laut Luft durch die Lippen. Er würde es erst einmal mit Standards versuchen müssen, er hatte keine Wahl.
"Kommt wahrscheinlich darauf an", sagte er und gab sich Mühe, recht analytisch auszusehen.
"Worauf kommt es denn da an, bitte schön?" fragte Petra und sah drein, als habe Kurtchen vorgeschlagen, nicht jeden Völkermord gleich schlimm zu finden. "Man kann doch nicht so mir nichts, dir nichts hergehen und sich hinstellen und sich dann wundern. Dich möchte ich sehen, wenn dir jemand so blöd kommt, Solidarität unter Freunden hin oder her!"
Sekundenweise fragte sich Kurtchen, ob Petra, was ganz unmöglich war, von seinen einschlägigen Präferenzen wußte, so vorbildlich opak waren diese Sätze; und spätestens jetzt hätte Kurtchen fragen müssen, wem seiner Freunde seine angebliche Solidarität denn gelte und wer hier wem denn blöd usw., aber vielleicht war es auch schon wurscht:
"Wenn das so einfach wäre“, sagte Kurtchen väterlich, der von der Welt schließlich schon bedeutend mehr gesehen hatte als junge selbstgewisse Damen mit eventuell recht zweifelhaftem Lebenswandel. „Mit dem Blickwinkel verändert sich ja immer auch die Perspektive", hatte er wohl wirklich gesagt, aber Petra muckte nicht, "und gut und böse sind Kategorien, die gerade in" Liebesangelegenheiten, wollte er sagen, aber am Ende ging es um ganz was anderes, und er verbesserte sich gerade noch rechtzeitig, "solchen Affären vielleicht, hmm, gar nicht besonders hilfreich sind", er trudelte jetzt ins lind Käßmannhafte, "ich meine, von wem weißt du denn überhaupt davon, das ist ja nicht vom Himmel gefallen, und auch der, von dem du's weißt, hat ja; hat ja eine Aussageabsicht gewissermaßen."
"Aussageabsicht", sagte Petra und ließ die Mühe hören, die es sie kostete, ihn nicht offen nachzuäffen. "Fakt ist doch", und Kurtchen fuhr ein bißchen zusammen, denn jetzt konnte er Petra im Grunde nicht mehr heiraten, was er zwar offiziell auch gar nicht wollte, insgeheim aber gern als Möglichkeit bewahrt hätte, aber wie lange würde er Sätze wie "Fakt ist, die Butter ist alle" aushalten, doch keine vierzehn Tage bzw. 48 Stunden, "daß Fred sich schuldig fühlt und Gernolf sich schuldig fühlt und Veronika jetzt dumm dasteht, so nach dem Motto", wieder zuckte Kurtchen, "hallo, das geht jetzt gar nicht."
Fakt war, daß Kurtchen wußte, wie es jetzt weiterging, jedenfalls was ihn und Petra betraf: Er würde sich jetzt langsam, aber zielstrebig betrinken, würde dann eine Weile traurig sein, weil eine Frau, die ihn interessierte, ihrer Rede nicht achtete, und wäre dann irgendwann erleichtert, daß eine dritte Heirat in erfreuliche Ferne gerückt war.
"Müssen wir uns aber auch nicht streiten jetzt deswegen", sagte Petra und lächelte, und Kurtchen überlegte, ob er sich so nach dem Motto: Man gewöhnt sich an alles, nicht auch ans zeitgenössische Verbalrowdytum gewöhnen könnte, damit vielleicht, trotz aller guten Vorsätze, doch noch mal was abging, im Bett und überhaupt, hallo. (wird fortgesetzt)
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