Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (29)
Porno-Petra, dachte Kurtchen unwillig. Porno-Witwen. Porno-Petra kritisiert Umgang mit Fick-Fred. Alles ein einziger Porno. Es war schon zum Davonlaufen.
"Na, Jungs", sagte Petra, lächelte heiligmäßig und trug natürlich keine Unterwäsche. Kurtchen schloß momentlang fest die Augen, wie immer, wenn er sich innerlich zur Ordnung rief. Zwanzig Jahre. Zwanzig Jahre mußte er noch durchhalten, dann ging es auf die Rente zu, und der Klammergriff des Sexus würde sich, hoffentlich, mählich lösen.
Als er die Augen wieder aufgeklappt hatte, war Petra, höchstwahrscheinlich im Vollbesitz ihres Unterzeugs, bereits vorbeigeschwebt, inspizierte an der Garderobe neben der Tür ihre Jacke, kam mit einem Päckchen Papiertaschentüscher zurückgeflogen (die Taktlosigkeiten wurden immer wüster, fand Kurtchen) und goß sich tatsächlich auf den Stuhl, den Gernolf vor ein paar Minuten verlassen hatte. Augenscheinlich arglos legte sie das Päckchen Taschentücher vor sich hin, entnahm eins, feuchtete es mit der Zungenspitze an und wischte an einem für nichteingeweihte Augen unsichtbaren Fleck im Brustbereich herum, und abermals glaubte Kurtchen, es sei dieser Abend – wie im Grunde sein, Kurtchens, ganzes Leben – eine Posse vor versteckter Kamera. Kurtchen sah zu Fred hin, der aber immer noch über der Frage zu brüten schien, warum Gernolf die Ansicht, auch beim Wichsen hänge auf gut Hegelsch alles am Resultat, nicht so ohne weiteres hatte teilen wollen, und erwärmte sich nicht weiter für den Angriff auf Kurtchens Seelenfrieden; schraubte lieber am (schon wieder fast leeren) Bierglas und stierte in die Tischplatte.
"Der Arsch", murmelte Petra vor sich hin, vehement rubbelnd, das Kinn ans Brustbein gepreßt, "kann der denn nicht aufpassen"; sagte aber gottlob weiter nichts, äußerte sich nicht zur Herkunft des Flecks bzw. dazu, welcher Arsch sie im Eifer irgendeines nicht näher bestimmten Gefechts womit auch immer befleckt hatte, und Kurtchen war noch viel zu nüchtern, als daß es ihn keine Kraft gekostet hätte, gewisse Dinge nicht zu imaginieren, es war ja nicht mal elf. "SCHWANZ! DU DUMMER SCHWANZ!" schrie es jäh vom Kartentisch herüber, und in Kurtchen wuchs die Sorge, zwischenzeitlich verrückt geworden zu sein; es fehlte nur noch die Feuerwehr, die den Laden stürmte und die Menge mit aus dicken Rohren schießender Buttermilch kühlte, Saddam und Gomera...
"Ach, fuck, egal", gab Petra offiziell ihre Bemühungen auf, ließ das benutzte Taschentuch in der Hosentasche verschwinden (sie mußte, weil die Tasche so eng war, den Hintern vom Stuhl nehmen und sich kurzzeitig zu einer schiefen Ebene versteifen) und schob dann sehr absichtslos den Taschentuchpacken in die Tischmitte, zu Kurtchen hin; und angesichts der symbolistischen Wucht der Ereignisse hätte Kurtchen ihr jetzt gern antworthalber seinen Crayon angeboten, allein, er hatte keinen dabei, und sie schien auch keinen zu brauchen. Es passierten, überlegte Kurtchen, überhaupt immer nur Dinge, die ihm nicht weiterhalfen.
"Gernolf schon weg?" fragte Petra und blickte Kurtchen jetzt geradeheraus an, ihre hohen Wangenknochen funkelten. (wird fortgesetzt)
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