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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Niemandes Mutter, niemandes Vater

Epochal“, „grandios“, „schmerzhaft“ – nicht angezweifelt sei die Berechtigung der Pressehymnen auf den ZDF-Weltkriegs-Dreiteiler „Unsre Mütter, unsre Väter“, denn so grandios und epochal war die Zurechtfälschung der bekannten Nationalgeschichte ins bequem Nebelhafte aus Schicksal, Verblendung und Befehlsnotstand, daß nur der keine Schmerzen empfunden haben dürfte, der gelernt hat, noch den letzten vaterländischen Seich zu schlucken:

Ukraine, Sommer 1941. Zwei sympathische junge Wehrmachtssoldaten werden Zeuge, wie jüdische Zivilisten von ukrainischer (und also nicht deutscher) Hilfspolizei zusammengetrieben werden. Die sympathischen jungen Wehrmachtssoldaten sind entsetzt. Auftritt des sympathischen, eigentlich sehr vaterländischen, aber eben auch zusehends kritischen Leutnants, der sich das gegenüber einem SS-Offizier verbittet und ein kleines ukrainisches Mädchen (!) unter den Schutz der Wehrmacht (!) stellt, bis das geklärt ist. Kaum ist er weg, das zu klären, nimmt der schon viel weniger sympathische SS-Offizier die Pistole und schießt dem Mädchen in den Kopf. Die sympathischen jungen Wehrmachtssoldaten sind abermals entsetzt, einer von ihnen tritt eine halbe Filmstunde später auf eine Partisanenmine, der andere liest zwar Hesse, hat aber trotzdem die Idee, ein paar Bauern über das Minenfeld zu schicken: „Ich hatte recht. Der Krieg wird nur das Schlechteste in uns zum Vorschein bringen.“ Dann gehen alle trübe über Leichen.

Die kommentarseitig beklatschte Ehrlichkeit in puncto deutscher Soldatengrausamkeit ist freilich eine Nebelgranate, wo diese Grausamkeit eine funktionale ist – Krieg ist Krieg ist Krieg – und der Krieg aber als Verhängnis und „Geschick“ (Schiller), ja Pech erscheint, und es ist erstaunlich, wie konsequent der Film keine Nazis kennt und die paar, die er doch kennt, schon keine Menschen mehr sind. (Die böse Proletarierfrau, die an der Heimatfront in einer vormals jüdischen Wohnung lebt und sich abfällig und wüst berlinernd über das Judengesindel äußert, ist tatsächlich so geschminkt wie ein Zombie mit Tbc.) Die vier jungen Freunde, die unsere Mütter und Väter vorstellen und an deren Rolle als Kanonenfutter das Tableau keinen Zweifel läßt, sind jedenfalls gymnasial reizende Identifikationsangebote mit jüdischem Busenkumpel, die dann auch folgerichtig desertieren und sich für ihren guten Charakter an die Wand stellen lassen, und wenn die naiv führertreue, sympathische Lazarettschwester die jüdische Aushilfe denunziert, dann nur sehr schweren Herzens und um die fällige Wandlung zur Systemskeptikerin zu initiieren. Sie alle, einschließlich des intellektuellen Hesse-Fans, der zum Zyniker wird, bereitwillig Kinder erschießt und, statt die nächsten dreißig Jahre mit seinem Eisernen Kreuz zu renommieren, den ehrenhaften Freitod in russischen Garben wählt, sind, das ist die atemberaubend unverhohlene Suggestion, die wahren Opfer des Krieges: das junge Deutschland, das, „als die Welt aus den Fugen geriet“ (so die Doku im Anschluß kongenial), noch unschuldiger schuldig wurde als das volljährige unserer Opas und Omas, das ja auch nicht wußte, wo der Führer plötzlich hergekommen war.

... soll die Vergangenheit eine Zeit geworden sein, in der alle allen und nicht zuletzt sich selber Schreckliches angetan haben, was allen nachträglich furchtbar leid tut, aber keiner keinem nachträgt und vor allem sich selber nicht. Dann dürfen die Deutschen, die so vieles wiedergutgemacht haben, endlich Wiedergutmachung an Deutschland üben … Wer sich in der Tür der Gaskammer den Finger eingeklemmt hat, erzähle sein Leid und weine.“ Gremliza, 1995

Damals waren wir Helden. Heute sind wir Mörder“ – brav wird die Einsicht aufgesagt, und Deutschland hat, nachdem es seinen Obermördern (im Gegensatz zu seinen Zwangsarbeitern) jahrzehntelang die Pensionen gezahlt hat, seine Lektion jetzt auch wirklich gelernt; aber daß die polnischen Partisanen wüste Judenfeinde waren („Wir ertränken Juden wie Katzen“), die russische Soldateska die Hose schon aufhatte, wenn's nur weiblich roch, die denunzierte jüdische Ärztin nur überlebt hat, um als Sowjetkommissarin „Verräterinnen“ zu liquidieren, und der Berliner Obersturmbannführer nach Kriegsende schon wieder mittun darf, weil der Ami Leute braucht, darf, wo wir schon bei der geschichtlichen Wahrheit sind, dann keinesfalls unerwähnt bleiben.

Die letzten Opfer werden bald so tot sein wie die letzten Täter. Es ist schon jetzt kein Halten mehr. Die Geschichte wird, unter allgemeinem Applaus, bereinigt, und wenn es stimmt, daß Geschichte die Geschichte der Sieger ist, dann hat Deutschland den Krieg jetzt wirklich noch gewonnen.




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Briefe an die Leser

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick