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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Mit viel unscharf, bitte

Daß ich in sprachlichen Dingen durchaus idiosynkratisch, vielleicht sogar obsessiv bin, ist bekannt. Bekannt ist hoffentlich auch, daß das nicht sowohl ästhetische als moralische Gründe hat; daß, wer, zum Beispiel, überall das Etikett „spannend“ draufklebt, nicht nur ein Banause ist, sondern einer, der, indem er der Phrase vor der Nuance den Vorzug gibt, der Unwahrheit allen Vorschub leistet.

Ich danke wiederum der verläßlichen Süddeutschen Zeitung, daß sie mir Gelegenheit gibt, die Sache zu illustrieren:

Am Tag nach der Verurteilung des Kassenwarts von Auschwitz erscheint auf Seite 1 der SZ ein Artikel unter den Zeilen: „Vier Jahre Haft im Auschwitz-Prozeß. Gericht verbindet sein Urteil gegen den 94jährigen Oskar Gröning mit harscher Kritik an der deutschen Nachkriegsjustiz“. Es ist ein altes Bemühen von mir, die automatisierte, dem Krawall geschuldete Kopplung des Hauptworts „Kritik“ mit den Adjektiven „scharf“ und „harsch“ als schädlich auszuweisen, und wir sehen, warum: „Harsche Kritik übte (Richter) Kompisch an der jahrzehntelangen Praxis der deutschen Justiz, nur die direkte Mitwirkung an einer Tötungshandlung als Beihilfe zum Mord zu bewerten. Das sei vergleichbar mit dem, was bei der Planung der Konzentrationslager geschehen sei. ,Man hat das Gesamtgeschehen zergliedert und in Einzelteile zerlegt. Das war eine, wie wir finden, seltsame Rechtsprechung’, sagte Kompisch. Das Gericht wolle aber ,nicht den Stab über verstorbene Kollegen brechen’.“

„Abgesehen davon, daß es keinen unpolitischen Strafprozeß gibt, weil in der Welt überhaupt nichts unpolitisch ist, darf gesagt werden, daß wir eine Rechtsprechung und eine Rechtsfindung bei politischen Tatbeständen nicht haben.“ Tucholsky, 1927

Es gibt bei der Frage, wo der Geltungsbereich des Epithetons „harsch“ beginnt, sicher einen Ermessensspielraum; daß die Einschätzung, eine Rechtsprechung sei „seltsam“, wobei man aber über die für die Seltsamkeiten Verantwortlichen „nicht den Stab brechen“ wolle, in Tat und Wahrheit „harsche Kritik“ sei, wird man indes nicht annehmen können. Es ist gelogen, und zwar nicht auf die Art, wie Leute, die „Lügenpresse“ sagen, glauben, daß die Presse lügt, nämlich irgendwie infam, listig oder hinterrücks, jedenfalls irgendwie jüdisch, nein: es ist so dumm gelogen, daß der Verdacht naheliegt, hier habe die bekannte Automatik gewaltet, die „Kritik“ nur mehr als scharfe oder harsche kennt, nicht etwa auch als vorsichtige, verhohlene, subtile oder gar feige.

Wie, was die deutsche Nachkriegsjustiz angeht, „harsche“ Kritik aussieht – für Leute, die sich vor Phrasen ekeln: strenge, genaue, unerbittliche, beißende, entschlossene, wütende, bittere Kritik –, läßt sich in Ingo Müllers „Furchtbare Juristen“ nachlesen, einem Buch, das ich hier gern noch einmal und immer wieder empfehle, weil es nämlich der Phrase vom „Versagen“ dieser Justiz alle Grundlage entzieht. (Noch unverschämter abermals die SZ, die neulich davon schrieb, die Justiz nach dem Krieg habe in NS-Belangen „geschlafen“.) Denn es gab kein Versagen: Fast alle furchtbaren Nazirichter blieben nach 1945 Richter. Krähen sollten anderen Krähen ans Auge gehen, und eigentlich sollten sie gar nicht. Denn aus Nazideutschland war ein Deutschland voller Nazis geworden, in Presse, Politik, Wirtschaft und Justiz. Noch 1985 – da hat der Geschichtsklitterer Weizsäcker den SA-Mann Carstens gerade als Bundespräsident abgelöst, der Kanzler besucht in ehrender Absicht einen SS-Friedhof, und die Annullierung von NS-Urteilen gegen Deserteure und „Wehrkraftzersetzer“ ist noch 17 Jahre hin – wird ein Ermittlungsverfahren gegen Gröning eingestellt. Ohne Kritik von irgendwem.

Schon seltsam, wenngleich hier nicht der Stab gebrochen sei; nicht daß wir in den Verdacht gerieten, wir übten Kritik, die als harsche ihr genaues Gegenteil ist.




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Briefe an die Leser

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt