Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Ein Vorbild
Die Managerin Margret Suckale, vormals Bahn und BASF, ist ab morgen Chefin des Bundesarbeitgeberverbands Chemie, weshalb die Süddeutsche Zeitung sie ins „Profil“ gesetzt hat; wir müssen das etwas ausführlicher zitieren: „Das Frauenthema nervt die Karrierefrau – einfach weil sie zu häufig darauf festgelegt wird. Aufstiegswilligem weiblichem Nachwuchs rät sie, sich zu vernetzen und offen zu sein. Es sei hinderlich, einen Karriereplan im Kopf zu haben. Sie selbst ist damit gut gefahren. Körperlich fit hält sich Suckale mit Walken oder Rollerbladen. Für ihren geliebten Eisschnellauf hat sie im Raum Rhein-Neckar noch keine Bahn gefunden. Filme sind ihre zweite Leidenschaft, vor allem von Woody Allen. Manchmal bucht sie ein komplettes kleines Kino, um sich und Freunden eine Freude zu machen. Auch das Bücherlesen gehört zu ihrem Leben. Den Roman ,1913' von Florian Illies hat sie gerade fertig, die ,Generation Y' will sie sich als nächstes vornehmen. Sie hat sich einen Kindle angeschafft. Den braucht sie auch, denn sie ist beruflich viel unterwegs. Derzeit ist sie in Helsinki und Tallin.“
„Nur in der Freiheit behauptet sich der Mensch! – Genau wie das Tier. Nur in der Freiheit, da gibt’s eine Entwicklung.“ Polt, 1997
So etwas Deprimierendes hat man lange nicht gelesen. Da tankt sich also eine als Karrierefrau durch die Vorstände und verbringt ihre langen Tage damit, „über die Löhne in der Branche zu verhandeln“ (SZ), und wenn sie die Löhne in der Branche im Sinne ihrer Arbeitgeber stabilisiert hat, mietet sie ein Kino und lädt ihre Freude zum leidenschaftlichen Woody-Allen-Kucken ein. Auf dem Fitneßprogramm stehen, weil Eislaufen in extraschnell nicht drin ist, Walken und Bladen, aber auch ein Buch wird sich immer wieder vorgenommen, denn auch das Bücherlesen gehört ja zu diesem vernetzten, offenen, erfolgreichen Leben, das sich unsere Mittelschichtseltern für ihre mit per Frühenglisch aufstiegswillig gemachten Töchter haargenauso wünschen und dessen vollauf funktionale Trübheit der beflissen-desinteressierte, zupackend provinzielle Zeitungsbericht – Illies' „1913“ ist kein Roman, sondern Kulturgeschichte als Anekdotensammlung für den Busineßflug nach Estland – hier so kongenial ans Licht hebt.
Wie sinnvoll ein Leben sei, ist erstens schwer zu beantworten und zweitens als Frage schon wieder so instrumentell, daß wir kritischen Theoretiker sie lieber gleich vergessen wollen. Daß uns das Leben der Margret Suckale, das ohne jeden Rest auf zwanzig heruntergestrunzte Druckzeilen paßt, gräßlich, traurig, bemitleidenswert vorkommt, daß wir glauben, kein Hund sollte so leben, ja daß uns das, was hier als Leben vorgestellt wird, uns wie sein genaues Gegenteil vorkommt, sei aber doch betont; zumal es, noch einmal, allen Grund zu der Annahme gibt, es sei unter der gegenwärtigen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ein als durch und durch vorbildlich ästimiertes.
Was die gegenwärtige Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung in ausreichendem Maße kennzeichnen mag.
◀ | So finanziert Merkel ihre Wahlversprechen | Wenig bekannte Fakten über den Mount Everest | ▶ |
Newstickereintrag versenden…