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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Dumm und dümmer

Drei Fußminuten von dem Münchner Hotel, in dem wir waren, hat ein VW-Händler seine vielleicht 150 Meter lange und gewiß sechs Meter hohe Fassade mit wellblechartigem Aluminium verkleiden lassen. Daß er (oder sein Architekt) sich vorher überlegt hätten, wer das später wie saubermacht, können wir ausschließen, denn irgendwer ist immer da, der Hotelzimmer, Gehwege oder Außenfassaden saubermacht; und so stehen bei fünf Grad zwei Männer, ein alter und ein junger, mit Tüchern und Reiniger vor dem Quadratkilometer aus Wellenberg und Wellental und putzen. Sie putzen, als wir sie gegen Mittag passieren, und sie putzen, als wir drei Stunden später zurückkehren. Wenn wir dem, was so in den Zeitungen steht, glauben dürfen, geht es ihnen (so wie uns allen) „so gut wie noch nie“. Beim Händler drin läßt sich derweil ein dicker Mann ein noch dickeres Auto zeigen.

Gestern ein Gastkommentar in der lokalen Qualitätstageszeitung über die wachsende Dummheit und den Stolz darauf: „Ich kann mich noch an Diskussionsrunden im Fernsehen erinnern, bei denen die Teilnehmer sich wacker bemühten, einen möglichst gebildeten Eindruck zu hinterlassen, selbst wenn sie sich dafür als Blender und Aufschneider bewähren mußten. Wer heute in eine Talkshow gerät, bekommt es hingegen mit Leuten zu tun, die sich beflissen anstrengen, nur ja nicht als Klugscheißer dazustehen … Als wären Vernunft und Bildung eine Last, die den Menschen ungerechterweise aufgebürdet wurde und die abzustreifen geradezu ein urdemokratisches Anliegen wäre, beherrschen nun politische Abenteurer die mediale Welt und die digitalen Netzwerke, die in aller Öffentlichkeit lügen und gar nicht verbergen, es zu tun, und die deshalb von ihren Anhängern als vermeintliche Rebellen wider die unerträglichen Zwangsregeln des ,Systems’ verehrt werden … Die Begriffe, ob Faschismus oder Populismus, die wir angewidert ins Treffen führen, scheitern an der Aufgabe, die sie haben, die Realität nämlich zu fassen und uns damit ein Instrument in die Hand zu geben, auf diese angemessen zu reagieren. So wie wir sie verwenden, dienen sie aber nicht der Erkenntnis, sondern der Selbstentlastung. Wir sprechen von faschistoiden Tendenzen, nicht weil das, was sich heute ereignet, mit dem Rückgriff auf den historischen Faschismus besser zu begreifen wäre, sondern weil wir unsere Sorge, mehr aber noch unsere Abscheu kundtun wollen. Da geht es weniger darum zu erkennen, was sich tut, als sich zum Besseren und, mitunter, auch als die Besseren zu bekennen.“

„Ignorance is Strength.“ Orwell, 1949

Mag sein, der Autor Klaus-Markus Gauß verwendet diese Begriffe in dieser Absicht, und gewiß tut es die SZ, deren Publikum an diesen Tendenzen schon ausweislich seiner Abonnementsentscheidung nicht teilhat und im Zweifel gern glaubt, daß es die zwei tapferen Seelen sind, die in Handarbeit des VW-Händlers Hütte putzen, vor denen sich die sog. Zivilgesellschaft fürchten muß. So wie ich den Begriff Faschismus verwende, dient er allerdings dazu, den materiellen Grund auszuweisen, den es immer gibt, auch dafür, daß vor reichlich dreißig Jahren die „dummen Shows“ (Gauß) mit jenem Privatfernsehen kamen, das konservative Politiker in der Absicht installierten, aus der hier und da noch kritischen Masse eine unkritische zu machen; so wie die „Vereinfachung“ der deutschen Schriftsprache und die Schleifung der alten Universität bei hysterischstem Gewese um Exzellenz, Elitegymnasien und Hochbegabung (Heike Schmoll, FAZ: „Mittelmaß ist nicht genug“) immer nur dieselbe Absicht verfolgen: daß möglichst viel bei möglichst wenigen bleibe. Daß, andersherum, bei den vielen dann eher wenig bleibt, ist kein Kollateralschaden, sondern Absicht, und wer die klassenlose Gesellschaft nicht will, soll die Volksgemeinschaft nicht bejammern.

Denn die kommt doch gelegen.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick