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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Analog ist besser

Und dann hatte mein Bruder den „Spiegel“ dabei, und natürlich wollte ich gleich die Titelgeschichte lesen, in der die legendäre Illustrierte in bewährter Personalisierung einen „eitlen“ Kampf der Ministerin gegen „ihre skandalreiche Truppe“ ausmalte, den von der Leyen bereits „verzweifelt“ kämpfe usw., was, nach allem, was man so mitbekommen hat, der üblich aufgeblasene Quatsch ist – wer hätte uns’ Uschi je verzweifelt erlebt! – und also so vergessenswert wie der Rest des Heftes; wäre da im Kulturteil nicht die Begegnung Thomas Hüetlins mit der hirntoten Hose Andreas Frege („Campino“) gewesen.

„Die Toten Hosen haben die Hymne des Jahrzehnts geschrieben. Jetzt sollen die goldenen Schallplatten brennen. Unterwegs mit der besten Punkband des Landes.“ Erstaunlich, wieviel Blindheit in drei Untertitelzeilen paßt, denn eine Band kann entweder die beste Punkband des Landes sein oder für hymnentauglichen Formatradio-Unrat sorgen („Tage wie diese“), zu dem, wir erinnern uns ungern, sogar die CDU ihren letzten Bundestagswahlsieg feierte. „Nach der Party rief die Bundeskanzlerin persönlich bei Campino an und entschuldigte sich dafür, daß ,wir so auf Ihrem Lied herumgetrampelt sind’. Als wären die Hosen die Könige eines anderen, ihr unbekannten Deutschlands’“ und eben nicht jene des bekannten Formatradiodeutschlands, das sich so schön in Merkel inkarniert und dessen „Spiegel“-lesendem Teil der Hüetlin den masssentauglich mediokren Campino als gequälten Linksintellektuellen verkaufen muß; denn Campino hat es sich „nie leicht gemacht mit Deutschland. Campinos Mutter war Engländerin“, der Opa väterlicherseits ein Richter, der „sich weigerte, Juden ohne Verhandlung zu verurteilen. Die Drohungen von Nazis und Rechtsradikalen begleiten die Band bis heute. Bei Fußballspielen hält Campino zu England. Selbst im Finale 2014 schaffte er es nicht, Deutschland die Daumen zu drücken. Er war für Argentinien. Was verrückt ist, denn im Fußball ist Argentinien so etwas wie ein Erzgegner Englands. Probleme, irgendjemand?“ Absatz. „Na ja, Probleme sind so etwas wie Campinos zweiter Vorname.“ Absatz. „Er hat sie.“ Absatz. „Manchmal lacht er über sie. Manchmal lassen sie ihn toben vor Wut. Manchmal löst er sie auch. Auf jeden Fall geht er seinen Problemen selten aus dem Weg.“

„Nein, Sie und ich, wir sind beide – Menschen ein und desselben Wahnsinns!“ Dostojewski, 1875

Eine wirkliche Ausnahmeerscheinung also, ganz anders als sein Fan Hüetlin, der das macht, was Schmöcke wie Osang und Kurbjuweit auch machen, und die übelsten Platitüden durch Kurz- und Absätze derart aufbläst, daß das Publikum sich in einem Film wähnen kann, dessen Drehbuch von Hemingway persönlich stammt.

Um so besser, wenn dann noch Kerle aneinandergeraten, so wie Jan Böhmermann und Frege, als dieser einen deutschen Benefizsong für afrikanische Ebola-Waisen organisiert hatte und jener fernsehöffentlich den Titel verriet: Do they know it’s Scheiße? „Dazu war eine Fotomontage eingeblendet. Ein Bild von Campino. Mit einem Doppelkinn, geformt aus einem Hodensack … Die Assoziation war klar: ein reicher alter Sack, der sich mit der Not in Afrika wichtig macht. Eine Denkfigur, immer wieder gern genommen. Vor allem in Deutschland, wo der Staat für alles Mögliche zuständig sein soll und individuelle Wohltäter Verdacht auf sich ziehen.“ Jedenfalls dann, wenn sie der besten Punkband des Landes vorstehen und nicht sehen, daß Großkopferten-Benefiz als Establishmentveranstaltung das reine Gegenteil von Punk ist und Benefizsongs, weil sie ja ins formatierte Radio müssen, kaum anders sein können als Scheiße.

Fünf Millionen Euro kamen zusammen, davon ist in Sierra Leone eine Schule gebaut worden. „Es hätte möglicherweise eine viel größere Schule werden können“, spekuliert da Hüetlin in Richtung Böhmermann, der ja, zersetzender Charakter, der er ist, nicht einmal dann Rücksicht nimmt, wenn es „um das Leben von Menschen“ geht. Campino: „Ich halte nichts von diesem böhmermannschen Zeitgeistgeplapper, sich lustig zu machen, weil der Joke wichtiger ist als die Sache, um die es geht“, denn wenn die Sache auf den Witz trifft, das Wahre auf den Zeitgeist und Substanz auf Oberfläche, dann sehen gute Deutsche selbst dann rot, wenn sie beim Fußball zu England halten oder in hochdemokratischen Wochenblättern Fazits ziehen: „Campino gegen Böhmermann, das ist auch ein Kulturkampf. Analog gegen digital, Herz gegen Kälte, Spontaneität gegen Strategie, offenes Visier gegen jüdische Tücke“, hoppla: „geschlossenes Visier.“

Deutscher Volkspunk sozusagen, der dann auch in „Bild“ sein Plätzchen hat. Wer solche Fans hat, der braucht das „Arschloch“ (Frege) Böhmermann jedenfalls nicht mehr.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt