Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Dax Werners Debattenrückspiegel Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Dax Werners Debattenrückspiegel: KW 50

Liebe Leser_innen,

erst einmal frohen dritten Advent von meiner Seite! Die heutige Ausgabe ist der perfekte Vorwand, beim Adventsfrühstück mit der Familie das Huawei aus der Hosentasche zu grabbeln und mit fester Stimme – trau dich, Tiger! – klarzustellen: "Mum, Dad, Besinnlichkeit schön und gut, aber nun ist der neue Debattenrückspiegel vom Werner online. Ihr entschuldigt mich!"

Zum Auftakt ein bisschen Selbstreflektion: Ich stelle fest, dass die Krise mich selbst ein bisschen in den Rückzug der Bildungsbürger-Simulation peitscht. Erst habe ich hier eingehend den neuen Roman von Dirk Rossmann besprochen, letzte Woche dann allen Ernstes das "Literarische Quartett" kommentiert. Da fragt nicht nur ihr euch zu Recht: Was kommt als nächstes? Na ja, ein neues Buch von Benjamin von Stuckrad-Barre natürlich! Zusammen mit dem Schweizer-Starautoren Alain Sutter hat er "Alle sind so ernst geworden" veröffentlicht, ein wichtiges Buch, in dem es darum geht, dass die Neunziger und frühen Nuller Jahre vorbei sind. Ich weise deswegen noch einmal so prominent auf die Neuerscheinung hin, denn so dezent und zurückhaltend, wie das neue Produkt aktuell von vielen Promis auf Instagram beworben wird, haben das sicher viele noch gar nicht mitbekommen. TITANIC-Redakteur Fabian Lichter schon. Er urteilte diese Woche auf dem Kurznachrichtendienst Twitter schon wohlwollend: "Klasse, das neue Buch von Stucki und Suter. Man merkt einfach, dass sie sich da wirklich mal 'ne Stunde Zeit genommen haben, uns was Feines abzuliefern." Ich habe das Ding nicht gelesen, was mich schon hinreichend qualifiziert, das Werk in einem sehr langen Thread literaturwissenschaftlich auseinanderzunehmen. Und dennoch: Eine kleine Stimme in mir hält mich trotzdem zurück, für ein paar Likes so richtig draufzuhauen. Woher auf einmal die Skrupel? Weil wir alle irgendwie auch zusammen drinstecken in der Krise? Weil’s der Literaturbranche eh nicht gut geht und ich das Weihnachtsgeschäft nicht zerschießen will? Weil ich dann wieder wütende DMs (direct messages) bekomme? Ich weiß es selber nicht so richtig. Lasst uns die causa fürs Erste mit einem Zitat aus ein anderen genialen Werk aus der Männerkunstkanonwelt schließen: "It is what it is."

Wir hier in NRW kennen uns jedenfalls aus mit everybody’s darlings, die ohne erkennbaren Grund von jetzt auf gleich die Gunst des Publikums verlieren. Unser Landesvater Armin Laschet ist so einer: Sein Corona-Management mit Maß und Mitte ist seit mehr als einem halben Jahr Gespött vieler anonymer Internetrambos und Satiriker_innen. Frage mich manchmal, wie schnell diese Pantoffelhelden wohl scheitern würden, wenn sie zwischen Wahlkampftour für den CDU-Vorsitz und ständigen Talkshow-Auftritten auch noch Deutschlands bevölkerungsreichstes Bundesland in der größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg durchregieren müssen. Ob man nun Lindner, Röttgen oder Laschet fragt: Niemand setzt sich gern in den Düsseldorfer Landtag und lässt sich von überambitionierten WDR-Volontär_innen zum sechsten Corona-Ausbruch in der Tönnies-Unternehmensgruppe grillen. Nein, diesen Job muss man wollen, aber Demut und Dankbarkeit werden dieser Tage leider zu Fremdwörtern. 

Stattdessen ununterbrochen Spott und Häme für alle Politiker_innen, die auch mal unkonventionelle Wege gehen, sich was trauen. Wie zum Beispiel Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann, der gestern trotz Pandemie zum Weihnachts-Shopping in seine Stadt einlud und mit reduzierten ÖPNV-Tickets lockte. Oder die Stadt Chemnitz, die den Samstag – vermutlich unter starken Abwägungsschmerzen – zum "Shopping Finale" machte und 1600 kostenlose Parkplätze zur Verfügung stellte. Die wenigsten machen sich ein Bild, wie schwierig die Planung solcher verkaufsfördernder Marketing-Aktionen im Umfeld der Pandemie fällt, wie sehr das "einerseits, andererseits" sie nachts um den Schlaf bringt. Menschen, die hauptberuflich ihre Meinung ins Internet schreiben, kommen mit solch komplexen Entscheidungsprozessen natürlich seltener in Berührung, warum auch, so ein "#LockdownJetzt" ist ja schnell gezwitschert. Und danach wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben.

Auch wenn das Weihnachtsfest dieses Jahr nicht so stattfinden kann wie sonst: Vielleicht nutzen wir alle einmal die Gelegenheit, zur Besinnung zu kommen. Das heißt zum Beispiel für mich: Weniger verkürzte Kritik, mehr Konsum – und damit die Wirtschaft mit vereinten Kräften durch die Krise katapultieren. Vielleicht können wir ja einfach mal wieder ein neues iPhone bestellen? Einen Staubsauger-Roboter? Oder eine Memoryschaum-Matratze? Es gibt viele Wege, die deutsche Wirtschaft und den Einzelhandel zu supporten. Welche fallen euch noch ein?

Bestellt euch doch mal wieder was Schönes, am besten gleich doppelt!

Euer Dax Werner




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Keine Frage, DHT Speditionsgesellschaft,

steht da auf Deinen Lkw, sondern eine Aussage: »Lust auf Last«.

Als Du damit auf der Autobahn an uns vorbeirauschtest, waren wir erst mal verwirrt: Kann man wirklich Lust auf etwas haben, was laut Duden »durch sein Gewicht als drückend empfunden wird«? Erst dachten wir noch, dass Du vielleicht was anderes damit meinst. »Last Christmas, I gave you my heart«, »Last uns froh und munter sein«, »I last my heart in San Francisco« – irgendwie so was.

Aber offenbar behauptest Du tatsächlich einfach, dass Du Spaß an der monotonen und zermürbenden Aufgabe hättest, dem Kapitalismus seine Waren über die stinkenden Autobahnen zu fahren, dabei Sonntage auf zugepissten Autohöfen zu verbringen und Dich beim Überholmanöver von Teslas und Audi A-Sonstwas anhupen zu lassen. Diese »Lust« wünschen wir Dir von ganzem Herzen, aber vermuten doch ganz stark, dass Dir der Spruch von jemandem auf den Lkw diktiert wurde, der bei der Berufswahl »Lust auf Marketing« hatte und seine Mittagspausen nicht in der Fahrerkabine, sondern beim Bagel-Laden in der Innenstadt verbringt.

Fahren an der nächsten Ausfahrt ab: Deine Leichtgewichte von Titanic

 Really, Winona Ryder?

Really, Winona Ryder?

In einem Interview mit der Los Angeles Times monierten Sie, dass einige Ihrer jungen Schauspielerkolleg/innen sich zu wenig für Filme interessierten. Das Erste, was sie wissen wollten, sei, wie lange der Film dauere.

Wer hätte gedacht, Ryder, dass Sie als Kind aus der Glanzzeit des Fernsehkonsums einmal die Nase rümpfen würden, weil junge Menschen möglichst wenig vor der Glotze sitzen und sich stattdessen lieber bewegen wollen? Davon abgesehen: Sind Sie sicher, dass sich die Abneigung gegen Cineastisches und das Verlangen, bereits beim Vorspann die Flucht zu ergreifen, nicht nur auf Werke beziehen, in denen Sie mitspielen?

Fragt sich Ihre Filmconnaisseuse Titanic

 Gott sei dank, »Focus«!

Du schreibst: »Fleischkonsum sinkt, Mitarbeiter fehlen. Fachkräftemangel trifft die Wursttheke«. Aber sieh es doch mal positiv, lieber Focus: Es wäre doch viel schlimmer, wenn aufgrund des hohen Fleischkonsums die Mitarbeiter/innen verschwinden würden …

Grüße aus der Fleet Street schickt Titanic

 Philipp Bovermann (»SZ«)!

Früher hatten Sie Angst vor der Klimakatastrophe. Heute sind Sie Mitte dreißig und haben dazugelernt: »Ich kann heute nur noch darüber staunen, wie wenig tief mich die Tatsache bekümmert, dass der Planet überhitzt, dass Arten verschwinden, Ökosysteme kollabieren, Regenwälder brennen, Meeresböden sich in Wüsten verwandeln. Menschen werden sterben, Menschen sterben schon heute, das Leid der Tiere sprengt alle Vorstellungskraft – aber jetzt stehe ich auf meinem Balkon, habe mir ein Leben aufgebaut, mit einem tollen Job, einer tollen Frau, einer tollen Tochter, unten auf dem Teich schwimmt eine Entenfamilie vorbei, und geblieben ist nur die sanfte Sorge, dass ich mir zu wenig Sorgen mache. Ich grusele mich vor mir selbst. Aber nur ein winziges bisschen.« Denn »vielleicht ist es rational, wegen des Klimawandels ruhig zu bleiben und sich auf das Leid im Hier und Jetzt zu konzentrieren. Die Welt wird schon nicht gleich untergehen.«

Nein, Kollege Bovermann, wird sie nicht, jedenfalls Ihre nicht. An den Menschen in Südostasien oder Osteuropa, betroffen von einem exemplarischen Regen aus der neuen Klimagegenwart, schwimmen derweil keine Entenfamilien, sondern ihre toten Töchter vorbei, während Sie sich so arg auf das Leid im Hier und Jetzt konzentrieren, dass es alle Vorstellungskraft sprengt.

Vorm ewigen Jungspießer gruselt’s da ein bisschen: Titanic

 Mal halblang, Polizei Düsseldorf!

Irgendwie war ja zu erwarten, dass Du Dich in Deinen Ermittlungen zum Anschlag in Solingen von rassistischen Debatten und wütenden Rufen nach Massenabschiebungen beeinflussen lässt. Wenn Du in einem Aufruf an die Bevölkerung aber auch noch um »Angaben zur Herkunft der abgebildeten Regenjacke« bittest – gehst Du damit nicht ein bisschen zu weit?

Deine Sittenwächterin von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

 Mitläuferin? Ganz im Gegenteil!

Meine Oma fuhr im Widerstand Motorrad.

Andreas Maria Lugauer

 Kurzzeitgenossen

Bei der Meldung zu Anton Bruckners 200. Geburtsjubiläum (4. September) und dem tags darauf sich jährenden Geburtstag Heimito von Doderers (5. September) mit Interesse bemerkt, dass beide Herren im Jahr 1896 kurz gleichzeitig am Leben waren: nämlich fünf Wochen und einen Tag lang, von Klein-Heimitos Entbindung bis zu Bruckners Tod am 11. Oktober. Solche ganz knapp verpassten Möglichkeiten der Seelenwanderung faszinieren mich. Was wäre gewesen, hätte man Doderer etwas später zur Welt gebracht, wäre Bruckners Geist schon ein paar Wochen früher »frei« gewesen? Hätte Wien / Ansfelden ein reinkarniertes Doppeltalent Heimtoni von Brucknerer überhaupt ausgehalten, hätte die literarisch-musikalische Welt unter dem Eindruck der »Strudlhofsinfonie«, des »Rondo in c-Moll für Streichquartett und einen Merowinger« (Alternativtitel: »Die tonale Familie«) oder der kurzen vierstimmigen Motette »Die Peinigung der Orgelpfeifelchen« vor Entzücken und Überwältigung alle viere von sich gestreckt, aufgegeben und ihren Kulturbeutel auf immerdar zusammengepackt? – Dass das Spekulieren über solche vergeigten Leider-nicht-Seelenwanderungen nur sehr ausnahmsweise Sinn ergibt, dämmerte mir aber, als ich ad notam nahm, mit welchen Gruselgestalten und potentiellen Reinkarnationsgefäßen seinerseits Doderer seine allerletzten Tage im Herbst 1966 verbringen musste: Stefan Raab (*20.10.66), David Cameron (*9.10.66), Caroline Beil (*3.11.66) und sogar noch haarscharf David Safier (*13.12.66, »Miss Merkel – Mord am Friedhof«; »Der kleine Ritter Kackebart«). Dann schon lieber die Seele mit in die Hölle nehmen.

Michael Ziegelwagner

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

 Jeder kennt ihn

Die Romantrilogie auf der Geburtstagsfeier, das Raclettegerät auf der Taufe, die Gartenfräse zur Beerdigung: Ich bin der Typ in deinem Bekanntenkreis, der dir geliehene Sachen in den unmöglichsten Situationen zurückgibt.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
14.10.2024 Augsburg, Parktheater im Kurhaus Göggingen Hauck & Bauer und Thomas Gsella
15.10.2024 Tuttlingen, Stadthalle Hauck & Bauer und Thomas Gsella
16.10.2024 München, Volkstheater Moritz Hürtgen mit Max Kersting und Maria Muhar
16.10.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner