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Dax Werners Debattenrückspiegel: KW 49

Liebe Leser_innen,

first and foremost wünsche ich euch selbstverständlich einen maximalbesinnlichen zweiten Advent. Weihnachten und Jahresendfest stehen nicht nur schon vor der Tür, sondern blicken schon ungeduldig durch den Briefkastenschlitz in die Wohnung, fragen die Nachbarn im Hausflur, wann sie mich das letzte Mal gesehen haben, und erinnern dabei an diese zwei aufdringlichen Kommissare vom Tatort Köln oder die Stasi. Und wie immer bei aufdringlichen Besuchern vor der Tür hilft einzig und allein: sich tot stellen. Hat schon damals im Studentenwohnheim geklappt, als Malte und Jenny mich unbedingt zum total lustigen Flunkyball-Turnier der Fachschaft Germanistik mitschleppen wollten. Und sowohl für das belastendste Konsens-Saufspiel der letzten zwei Jahrzehnte als auch  für die Weihnachtsfeiertage im Balla-Balla-Pandemiejahr 2020 gilt: Lass gut sein, ich muss mich hier noch um die Debatten der letzten KW kümmern. Ein andermal vielleicht. Manche Dinge ändern sich nie.

Reden wir nicht lange um den heißen Brei: Debattentechnisch hat KW 49 leider höchstens durchwachsen geliefert. Für ein wenig Aufregung sorgte der Auftritt der Poetry-Slammerin Lisa Eckhart im Literarischen Quartett am Freitag, beziehungsweise schon die Einladung dahin. Die Sendung selbst verlief dann aber ziemlich unspektakulär und erinnerte mich von den Vibes her an literaturwissenschaftliche Proseminare aus meinem Studium: Thea Dorn verteilte im Kopf Mitarbeitsnoten, Lisa Eckhart bemühte sich so sehr, besonders klug rüberzukommen, dass sie schon recht früh verzweifelt mit Nietzsche um sich warf, und Ulrich Matthes hatte offenbar vergessen, sein Referat über das neue Büchlein "Ein bisschen schlechter" von Michel Houellebecq vorzubereiten – er googelte sich kurz vor der Sendung noch mal durch das Interview mit dem Skandal-Autor in der Berliner Zeitung. Ich kann es nicht beweisen, klang aber so! Der Tweet des Abends kam gegen Mitte der Sendung von Lars Weisbrod: "Ich hätte gerne so normale und komplett uninteressante Meinungen wie der Schauspieler Ulrich Matthes." Gedächtnisprotokoll, weil Tweet inzwischen wieder gelöscht. Im inzwischen warm gelaufenen Quartett feierte man dann noch Houellebecqs banale Erkenntnis, dass das Corona-Virus "langweilig und gefährlich" sei. Luzide, sprachgewaltig, ein echtes männliches weißes Genie eben, wie es nur die Grande Nation hervorbringt!

Im bereits erwähnten Interview mit der Berliner Zeitung gab Houellebecq so einiges zum Besten, z. B. über sein Alltagsleben in Zeiten der Pandemie: "Ich möchte darauf hinweisen, dass ich in dieser Hinsicht eine ziemliche Ausnahme darstelle, da mich der Umstand, weniger auszugehen, also in meinem Zimmer bleiben zu können, kein bisschen betrübt." Komplett überraschend und so noch nicht von 200 Normalos allein letzte Woche auf Twitter gelesen, aber so sind sie eben, die sensiblen Künstlerseelen, da ticken die Uhren einfach anders.

Ganz anders ticken die Uhren auch in Sachsen-Anhalt, das sich diese KW mal wieder auf die Debatten-Landkarte gespielt hat: Dort hat der Streit um die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent sein erstes Opfer gefordert, nämlich den sachsen-anhaltinischen Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Der hatte in einem Interview für eine Kooperation auf Augenhöhe mit der AfD plädiert und wurde postwendend von MP Reiner Hasselhoff entlassen. Schade, dass der Mann schon wieder weg ist, ich hatte mir gerade erst sein Gesicht gemerkt. Aber die Chancen stehen ja nicht schlecht, dass wir ihn demnächst bei KenFM oder einem Youtube-Livestream vom Silvester-Sturm auf den Reichstag wiedersehen werden.

Präzise und vorhersehbar wie ein Uhrwerk läuft hingegen die Debattenmaschine und FDP-Chef Christian Lindner. Der war vergangenen Sonntag zu Gast bei Anne Will, wo ihm von der Forscherin Viola Priesemann ziemlich geduldig erklärt wurde, warum seine ständige Forderung, nach einer Corona-Strategie, die den Schutz vulnerabler Gruppen in den Mittelpunkt stellt, sinnlos sei. Schon am Abend der Sendung twitterte Stefan Scholer hellsichtig, dass Lindner zwar kein Gegenargument einfiele, er seine im Kern ja wirtschaftsfreundliche Forderung aber ab Montag gewiss trotzdem unbeirrt weiterführen wird. So kam es dann auch.

Um positiv zu enden: Irgendwie auch befreiend, noch mal so deutlich vorgeführt zu bekommen, dass es herzlich egal es ist, wie viele WissenschaftlerInnen derzeit die Talkshows stürmen, um die Politik und uns über Viruslast, Aerosole und Epidemie-Maßnahmen aufzuklären: Am Ende entscheidet dann doch immer wieder das Bauchgefühl, Faktenlage und Shitstorms in den sozialen Medien hin oder her. Vielleicht sollten wir es alle mal mehr mit Harry Potter (Daniel Radcliffe) halten, der diese Woche erklärte, dass er sich aus Selbstschutz komplett aus Social Media raushält.

Egal, ob ihr eure Apps jetzt drauf lasst oder löscht: Bleibt sauber und kommt gut durch die Woche!

Euer Dax Werner




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg