Aus Eugen Egners Püppchenstudio
Ohne Bildunterschrift gültig
Mein Vater, von Beruf Friseur, riß sich die Pfeife aus dem Mund, sprang auf und sprach enthusiasmiert: "Meine Kollegin aus dem Damensalon und ich betrachteten heute schwer atmend unser Werk. Als Folge einer gemeinsam durchlebten Ekstase lagen zahlreiche Gummipuppenköpfe auf dem Fußboden. Da trat unser Lehrbub hinzu und sprach: 'Ich hätte zu Haus auch gern Gummipuppenköpfe auf dem Fußboden, aber meine Mutter räumt immer alles weg.'"
Nach diesen Worten schaute er eindringlich in die Runde, ob ihn Frau und Sohn auch richtig verstanden hatten, denn wir sahen ihn nur schweigend an. "Aber meine Mutter räumt immer alles weg", wiederholte mein Vater vorsichtshalber, wobei er den Stiel seiner Pfeife nacheinander auf uns richtete. Mit besorgter Miene fixierte ihn meine Mutter und sagte: "Du wirkst überdreht, hast dir ja schon wieder lauter Zahlen ins Gesicht geschrieben."
"Socken stopfen würde ihm jetzt sicher gut tun", schlug ich vor. Doch der Vater wies den Stapel löchriger Socken, den wir ihm gemeinsam entgegenstreckten, unwirsch zurück. Offensichtlich hatten wir nicht das Richtige getroffen. Wir mußten etwas anderes versuchen, ihm ein neues Angebot unterbreiten. Vielleicht wollte er ein wenig spielen? Ein Bällchen jagen? Nein, er wollte nicht. Mein Vater drehte sich wortlos um und ging zum Fenster. Eine Weile starrte er hinaus, dann öffnete er einen Flügel und streckte seinen erhitzten Kopf ins Freie. Es regnete, sein Mund wurde naß.
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