Humorkritik | Mai 2024

Mai 2024

»Die letzte Phase einer weltgeschichtlichen Gestalt ist ihre Komödie. Die Götter Griechenlands, die schon einmal tragisch zu Tode verwundet waren im gefesselten Prometheus des Äschylus, mußten noch einmal komisch sterben in den Gesprächen Lucians. Warum dieser Gang der Geschichte? Damit die Menschheit heiter von ihrer Vergangenheit scheide.«
Karl Marx

Trostlos in Friedefeld

»Friedefeld« heißt die neue animierte Sitcom der ARD. Ein gewagter Wink in Richtung Springfield – und zu gewagt, wie rasch klar wird.

Die Geschwister Paul, Ludwig und Barbie haben unterschiedliche Mütter, teilen sich aber einen Vater, der sie zeit seines Lebens im Stich gelassen hat. Und auch die Autoren haben sich eher schlecht als recht um sie gekümmert, denn nicht nur das Leben in Friedefeld, sondern auch das Zuschauen erweist sich als äußerst mühsam: Hauptfigur Paul, ein klassischer Slacker, der ins Zeitalter des digitalen Prekariats gehievt wurde, trauert seiner Exfreundin Berthe hinterher und hält sich mit Gelegenheitstexterei für seine Schwester Barbie über Wasser. Diese wiederum ist CEO eines skrupellosen Unternehmens für Autos und Techgedöns (»Giesel«), steht auf Frauen und Gewaltvideos und wird bei ihrer Arbeit von einer der MTV-Figur Daria ähnelnden Assistentin unterstützt. Ludwig ist im Bunde mit Hunden, die sich vor der Kastration drücken wollen, spielt Schach mit Obdachlosen, will Kinder in Online-Shootern zu Pazifisten erziehen, ein anderes Mal sucht er die Weltformel. Dabei verlassen sich die Autoren auf ein nicht enden wollendes Referenzgewitter aus der Welt des gegenwärtigen Plattformkapitalismus, was das Ganze dummerweise erst so richtig altbacken wirken lässt. Als Paul seinen digital burnout kurieren möchte, greift er, logisch, zur App, Entspannung und Ruhe sucht er in Youtube-Videos.

Regelmäßig meint man bei »Friedefeld«, Pointen entweder erklären oder so lange aufhäufen zu müssen, bis auch der letzte Idiot sie kapiert hat: Als Paul und Ludwig im Supermarkt auf Jan, den neuen Freund von Pauls Ex treffen, fragt sich Paul: »Was ist dieser Jan schon, wenn du sein Sixpack und sein sechsstelliges IT-Gehalt wegnimmst?« Ludwig darauf: »Du hast noch seinen Segelschein vergessen, sein ehrenamtliches Engagement bei ›Ingenieure ohne Grenzen‹, seine selbstgemachte Chimichurri-Soße, seine niemals versiegende Positivität, seine beeindruckend großen Hände …« Und wenn der Vorstand der Autofirma von CEO Barbie einen neuen Werbespot verlangt, der grüner sei als der letzte, in dem der SUV einen Radfahrer überfährt, präsentiert sie sogleich eine korrigierte Version: Diese unterscheidet sich von der alten, so der Witz, nur durch eine Fußnote mit Verweis auf eine Plug-in-Hybrid-Option. Weil ein Mitarbeiter die Fußnote nicht gesehen hat, bekommt er (und damit der Zuschauer) diesen Gag aber noch einmal erklärt, indem Barbie auf die Fußnote verweist, die ohnehin schon eine ganze Weile im Bild hängt.

Und damit genug des Witzeerklären-Erklärens.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
23.05.2024 Bielefeld, Theaterlabor Max Goldt
24.05.2024 Dresden, Buchladen Tante Leuk Thomas Gsella
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst »POLO«
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Hans Traxler: »Die Dünen der Dänen«