Humorkritik | Dezember 2022
Dezember 2022
»Zwei ähnliche Gesichter, von denen keines für sich allein lächerlich wirkt, reizen gemeinsam durch ihre Ähnlichkeit zum Lachen.«
Blaise Pascal
Segen der Karibik
Als Ron Gilbert, Schöpfer zeitlos spaßiger Adventure-Games wie »Maniac Mansion« (1987) und »Zak McKracken« (1988), nach jahrelangem Lizenz-Hickhack mit Disney im April ankündigte, seine als legendär geltende »Monkey Island«-Reihe fortzuführen, gab es ein großes Hallo. Dem ein lautstarkes »Buh!« folgte, nachdem erste Bilder einen gewöhnungsbedürftigen, leicht naiven Comic-Look des Computerspiels gezeigt hatten. Als Kritiker humoristischer Medien ist Computergrafik nicht mein Metier (wiewohl ich sie hier charmant finde); lustig scheint sie mir, wo »Früher war alles besser«-Lamentierer sanft vor den Kopf gestoßen werden. Zum Beispiel wenn unser Protagonist Guybrush Threepwood in der aus dem Originalspiel bekannten SCUMM-Bar nicht auf die drei »Very Important Pirate Leaders« von vor 30 Jahren trifft, sondern auf ein zeitgemäß diverseres Trio, das einiges über die »alten Herren« zu sagen hat (welche sich später übrigens in einem Cameo dann doch noch die Ehre geben).
»Return to Monkey Island«, so der Titel des im September veröffentlichten neuen Parts, knüpft an Teil 2 von 1991 an, ignoriert aber auch nicht die »Tales of Monkey Island« von 2009 – … ach, es ist kompliziert. Gilbert und sein alter Co-Autor und -Entwickler Dave Grossman haben ihr Handwerk jedenfalls nicht verlernt. Mit wohldosierten, nur selten allzu infantilen Pipi-Kacka-Witzen schielt man aufs Nachwuchspublikum, während die Zielgruppe der ergrauten Nostalgiker mit zahllosen Anspielungen und Querverweisen bedient wird. Hübsch etwa die antiklimaktische Auflösung des sich durch sämtliche Vorgänger ziehenden Rätsels, wie denn wohl die mysteriöse »Voodoo Lady« heißt: Ihren zweisilbigen Allerweltsnamen vertraut sie uns trocken an, wenn wir sie beiläufig danach fragen. Eine Limetten-Kampagne der Gouverneurin im Kampf gegen Skorbut darf womöglich als Kommentar zu gewissen gegenwärtigen Pandemien verstanden werden. Am meisten musste ich lachen, als unser Held für die Herstellung eines Wischmoppstiels das Holz eines bestimmten Baumes benötigt und diesen bei der Entnahme einer »Probe« vollständig abholzt, worauf wir nach einem Cut liebliche Waldtiere frierend und weinend auf der ausgedünnten Lichtung sehen.
Das Beste an dem herkömmlich beplotteten, aber mit manchem Twist gespickten Abenteuer sind die schnittigen Dialoge. Hier sitzt wirklich jede Zeile, vor allem aus dem Munde des seit Teil 3 amtierenden Guybrush-Sprechers Dominic Armato. Eine deutsche Sprachfassung – und die war in der Vergangenheit stets der englischen ebenbürtig – erscheint just, da ich dies schreibe.
Captain Mentz ist also mit dieser überraschenden Karibik-Rätsel-Fortsetzung mehr als zufrieden. Wie die meisten Buh-Rufenden mittlerweile übrigens auch.