Humorkritik | Dezember 2022
Dezember 2022
»Zwei ähnliche Gesichter, von denen keines für sich allein lächerlich wirkt, reizen gemeinsam durch ihre Ähnlichkeit zum Lachen.«
Blaise Pascal

Gute Laune durch schlechte Laune
Für Finnen scheint »der Grump« etwas Ähnliches zu sein wie der Grinch, nur ohne Weihnachten: ein verdrossener älterer Herr, der Pelzmütze trägt, auf seinem Hof in der Einöde lebt und am liebsten seinen Mitmenschen den Tag verdirbt, u. a. seinen beiden Söhnen in Helsinki. Das einzige irritierend Unfinnische an ihm ist, dass er zwar trinkt, aber nur Milch. Es gibt eine Romanreihe über den Grump – im Original sehr eingängig »Mielensäpahoittaja« benannt – und einige Filme, der neueste stammt von Mika Kaurismäki und spielt großteils in Deutschland.
»Der Grump – auf der Suche nach dem Ford Escort« führt den Alten nach einem Tagtraum und einem daran anschließenden Autounfall erst ins Internet seines Nachbarn, wo er nach genau dem Modell sucht, das er über vierzig Jahre lang gefahren hat – »ein Ford Escort, 1972, weinrot!« – und dann nach Saksa (so der putzige finnische Name für Deutschland). Was als Fish-(bzw. Finn’)-out-of-Water-Komödie startet – die Schwierigkeiten einer Flughafenkontrolle, Kartoffeln im Handgepäck, sprachliche Probleme, die den Grump statt zu seinem ersehnten Ford Escort zu einem Hamburger Escort-Service führen – gerät bald zum Familienfilm: Der nach Deutschland ausgewanderte Bruder taucht auf und kutschiert den Grump gegen dessen Willen per Wohnwagen Richtung Gebrauchtwagenhändler, die beiden Söhne aus Helsinki bekommen ihre je eigene Geschichte, und schließlich gibt es noch des Bruders Tochter in Magdeburg, mit der ebenfalls eine Versöhnung angeleiert werden will. Eine tödliche Krankheit des Bruders muss auch noch rein, damit die alten Männer sich am Krankenhausbett endlich einmal aussprechen können.
So vorhersehbar manche Entwicklung ist (Frau + Übelkeit = Schwangerschaft), so simpel lösen sich die meisten der Filmprobleme. Scheitert die Kommunikation des einen Grump-Sohnes mit den Kindern, weil diese die ganze Zeit am Handy kleben bzw. »auf TikkitiTokkitiTipTop«, dann muss man sie nur mal ins Kino schicken und gemeinsam das Fahrrad reparieren, schon klappt’s wieder. Verliert der zweite Sohn Job und Familienvermögen bei einem schlechten Investment (»Schatz, wir werden die nächsten Jahre Merlot trinken müssen«), so genügt ein wenig Reue und Auszeit auf dem väterlichen Hof, schon kommt die belogene Gattin wieder zur Besinnung, bringt eine schöne Flasche Billigwein mit und freut sich auf das gemeinsame Leben in einer kleineren Wohnung. Am Schluss sitzt die ganze Sippe friedlich um den Gartentisch, keiner ist keinem mehr böse, und alle haben es gut gemeint.
Eine lahme Sache also? Nein, denn nette Szenen gibt es doch einige. Der Grump möchte 22 000 Euro abheben, um seinen Ford in bar zu bezahlen, worauf die Bankberaterin verlegen wird: »Entschuldigung, bei einer so hohen Summe müssen wir wissen, wofür Sie das Geld benötigen. Drogenhändler verwenden ja auch Bargeld.« – »Gut. Dann schreiben Sie, ein alter Mann hat 20 000 Euro abgehoben, um Drogen zu kaufen. Er war immer anständig, bis ihn eines Tages doch die Versuchung übermannte.« Nur an der titelgebenden Grumpiness hapert es, meist bleibt der Pelzmützenheld stoisch. Selbst als am Ende – Achtung, Heckspoiler-Alert – sein neu gekaufter Oldtimer im Meer versinkt, kostet das den Grump nur einen bestürzten Gesichtsausdruck, dann ein Grummeln und ein Schulterzucken. So macht schlechte Laune gute Laune.