Humorkritik | Oktober 2021

Oktober 2021

»Es herrscht, wer heiter ist, denn um traurig zu sein, muss man fühlen.«
Fernando Pessoa

Würger Volk

Nicht, dass Sie jetzt anfangen, sich Sorgen um den alten Mentz zu machen, und ihm eine bedenkliche Tendenz zur Nekrophilie unterstellen. Aber nachdem mich Franz Schuhs Sammelband »Lachen und Sterben« (TITANIC 8/2021) doch ein wenig enttäuscht hat, erhoffte ich mir weiterführende Hinweise zum Themenkomplex Tod/Komik vom kurze Zeit später erschienenen Werk »Der Charme des Todes. Rätselhafte Todesfälle und kuriose posthume Schicksale berühmter Persönlichkeiten« (Schattauer) von Prof. Dr. med. Dr. phil. Dipl.-Psych. Dipl.-Math. Thomas Köhler.

Wenn der Tod tatsächlich Charme haben sollte, dann weiß ich nach der Lektüre des Buches nicht, worin der bestehen könnte. Charmant ist allenfalls Dr. Dr. Köhlers kurios-pragmatischer Zugang zu seinem Thema: »Vielleicht – so hoffe ich – ist es für einige aber jetzt gerade die geeignete Zeit, dem Thema Tod ins Auge zu sehen, und zwar nicht mit tiefschürfenden Gedanken, die schließlich doch zu nichts führen.« Nimm dies, Tiefschürferei!

Also legt Köhler los, seichtschürfend und bar jeder Ergriffenheit, ohne dabei den Spaß an der Sache zu verleugnen (»So befremdend es klingen mag: Mir hat die Abfassung Spaß gemacht. Es ist lehrreich, zu sehen, wie zufällig und schicksalhaft zugleich der Tod ist«), erzählt ein bisschen von den physiologischen Prozessen, die beim Sterben und Verwesen so vor sich gehen, um sich dann mit anekdotisch ausgebreiteten Prominentenschicksalen zu beschäftigen. Die Referate der Lebensläufe von Rasputin, Ludwig II., Michael Jackson oder des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, der 1914 in Sarajewo einem Attentat zum Opfer fiel, geraten zwar zu ausführlich und sind genau genommen auch eine Themaverfehlung, haben dafür aber einigen Unterhaltungswert, wenngleich einen eher unbeabsichtigten. Dieser Wert verdankt sich der unsentimentalen Haltung Köhlers (»über Suizide lässt sich ergiebiger schreiben, weil ihnen eine in aller Regel tragische Vorgeschichte anhaftet«), den Stilblüten, die er großzügig über die Kapitel gestreut hat (Rasputin zum Beispiel wurde nicht als Tochter geboren, sondern »1869 als Sohn in einem kleinen Dorf östlich des Ural-Gebirges. Er lernte nicht lesen und schreiben«), aber auch der einen oder anderen makabren Begebenheit, die ich ohne Köhler nicht kennen würde, etwa das Los des einbalsamierten und im Petersdom öffentlich aufgebahrten Leichnams von Papst Pius XII. Der wechselte »sichtlich seine Farbe, von grau über grün zu purpurrot, die Nase wurde schwarz und fiel noch vor der Beisetzung ab«. Überhaupt die Päpste! Nehmen wir nur Stephan VI.: »Wenige Monate nach Antritt seines Pontifikats wurde er vom römischen Volk erwürgt.« Man stelle sich vor!

Geschichten wie diese führen dann wieder zu meiner Ausgangsfrage: ob und wenn ja, auf welche Weise dem Tod komisches Potential innewohnt. Die Hoffnung, dass ich irgendwann auf diese Frage eine überzeugende Antwort bekommen werde, stirbt zuletzt.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg