Humorkritik | Mai 2020
Mai 2020
Das Lächeln lässt eine Vielzahl von Bedeutungen zu. Man kann alles mit einem Lächeln ausdrücken, ausgenommen vielleicht den Zorn; aber vom Unwillen über die Verachtung bis zur Liebe kann das Lächeln alle Affekte der Seele darstellen. Ein Gesicht ist in der Tat eine wunderbare Tastatur.
Sully Prudhomme

Versöhnlicher Endzeitspaß
In Zeiten der Kontaktsperren ist auch der alte Mentz wohl, aber mehr übel gezwungen, sich von der öffentlich aufgeführten Komik zurückzuziehen und noch tiefer in die Stubenbespaßung der Streamingdienste vorzudringen, z.B. im Genre Stand-up-Comedy. Das bedeutet für einen, der ansonsten wählerisch ist, nun in die Tiefen des Massengeschmacks vorzustoßen. Dieser ist, wie ich nun leider weiß, auch im englischsprachigen Bereich dominiert von Heteromännern, die ihren Pornokonsum verarbeiten.
Eine Ausnahme, wenn auch nicht durchweg eine rühmliche, ist Marc Maron, ein Mittfünfziger, vor allem bekannt durch komisches Schauspiel und einen Podcast, der schon groß war, bevor alle Podcasts hatten. Sein Programm »End Times Fun«, aufgezeichnet im Sommer 2019, könnte nicht besser zur Zeit passen; Maron sinniert darin sogar einigermaßen prophetisch darüber, dass nur etwas Schreckliches fähig sei, die Leute aus ihrer präapokalyptischen Lethargie zu holen, und bietet einige sehr gute Beobachtungen an, etwa zur Nonchalance, mit der die kalifornischen Feuer betrachtet werden, oder zur Hilflosigkeit im Trumpschen Amerika. Besonders pointiert ist er aber, wenn es ums Jüdischsein und das Marvel-Superheldenuniversum geht, das er ebenfalls für eine Religion hält: »It should be recognized that the story of Jesus and the Marvel Universe were created in Jewish writer rooms.« Was ihn aufgrund seiner Lebenserfahrung (»I find most people are anti-semitic, given the chance«) zur eindrücklichen wie wohl allzu wahren Darstellung jüdischer Kreativität bringt: »Don’t stop making shit up – or they’ll kill us!«
Leider gefällt sich Maron zu sehr darin, seine eigene Reflektiertheit auszustellen (was manchmal dann auch wieder nur der Vorlauf für Pornoverarbeitungskram ist). Dafür führt er seine vielen, scheinbar losen Fäden zu einer bewusst schäbigen und dann wiederum sehr lustigen Endzeitvision zusammen (mit Vizepräsident Mike Pence in der Hauptrolle), und die versöhnt mich dann wieder mit Maron und seinem Fun.