Humorkritik | Mai 2020
Mai 2020
Das Lächeln lässt eine Vielzahl von Bedeutungen zu. Man kann alles mit einem Lächeln ausdrücken, ausgenommen vielleicht den Zorn; aber vom Unwillen über die Verachtung bis zur Liebe kann das Lächeln alle Affekte der Seele darstellen. Ein Gesicht ist in der Tat eine wunderbare Tastatur.
Sully Prudhomme
Lacher in Hosenrollen
Komisch gemeintes »Cross-Dressing«, also das Tragen »typischer« Kleidung des anderen Geschlechts, meinte lange Zeit fast ausschließlich: Männer mimen Frauen. Ob zahlreiche Monty-Python-Sketche, die Politikerinnen-Parodien Mathias Richlings, Karnevals-Tanztruppen, »Manche mögen’s heiß« oder »Mrs. Doubtfire«: Dass lediglich der durch Männer dargestellte Geschlechtertausch als komisch galt, hat wohl seinen Hauptgrund im Machtgefälle zwischen den Geschlechtern. Der Mann als das gleichfalls »normale« wie höherstehende Wesen setzt sich in Frauenkleidung herab, verletzt männlich-erhabene Codes, macht sich im wahrsten Sinne lächerlich.
Zwar wurden etwa im 19. Jahrhundert Schauspielerinnen in »Hosenrollen« als (komische) Sensation gefeiert, dies aber eher als erotische Pikanterie, weil Frauen, wenn sie Männer spielten, frivoles Beinkleid tragen durften. Monolithisch ragt aus dem 20. Jahrhundert heraus die Komödiantin Liesl Karlstadt, die an der Seite von Karl Valentin mit diversen Bärten und tiefer gelegter Stimme einfache Männer von der Straße oder blasierte Beamte darstellte – dies jedoch perfekt, so dass sie von Zuschauern meist gleich für einen Mann gehalten wurde. All dies ändert sich gerade, und Dreh- und Angelpunkt dessen ist die amerikanische Comedy-Show »Saturday Night Live«. Bereits seit 2013 parodiert Amy Poehler darin männliche Politiker, etwa den US-Demokraten Dennis Kucinich. Doch erst seit 2017 gibt es in »SNL« Frau-verulkt-Mann-Sketche in nennenswerter Zahl und Beliebtheit; ob ausgelöst durch die pointenträchtige Amtszeit Donald Trumps und seiner Knallchargen oder durch die annähernd gleichzeitig entflammte Metoo-Debatte, sei dahingestellt. Ein Glanzpunkt ist der zigmillionenfach geklickte Auftritt Melissa McCarthys als cholerischer Trump-Pressesprecher Sean Spicer (»I came out here to punch you!«); noch wandlungsfähiger präsentiert sich Kate McKinnon: mal linkisch-spitzbübisch als Ex-Justizminister Jeff Sessions, mal selbstgefällig-jovial als Sonderermittler Robert Mueller, hyperaktiv und mit Hundeblick als Justin Bieber oder, aktuell, als Trumps gerissener Anwalt Rudy Giuliani.
Dabei überzeugen sie und ihre Kolleginnen nicht nur als Parodistinnen, sondern produzieren wirklich komischen Mehrwert: Selbstverliebte, chauvinistische Männer sind, dargestellt von Frauen, eben besonders lächerlich; das Machtgefälle ist das gleiche, wird aber sozusagen von der anderen Seite beackert. »SNL«-Mitglieder wie Aidy Bryant oder Cecily Strong führen die noch junge Tradition munter fort, und auch Carolin Kebekus ist im deutschen Fernsehen schon als fiktiver Fußballstar Mario Großreuss aufgetreten. Bleibt zu hoffen, dass demnächst noch weitere selbstgefällige Herren von komikbegabten Damen parodiert werden. Mein Vorschlag: Mathias Richling.