Humorkritik | Mai 2020

Mai 2020

Das Lächeln lässt eine Vielzahl von Bedeutungen zu. Man kann alles mit einem Lächeln ausdrücken, ausgenommen vielleicht den Zorn; aber vom Unwillen über die Verachtung bis zur Liebe kann das Lächeln alle Affekte der Seele darstellen. Ein Gesicht ist in der Tat eine wunderbare Tastatur.
Sully Prudhomme

Apropos of Allen

Weil Woody Allen sich »nie überzeugend mit den Vorwürfen seiner Tochter auseinandergesetzt« habe, sollte seine Autobiographie nach Wunsch von Rowohlt-Autorinnen und -Autoren nicht bei Rowohlt erscheinen; ironisch nun, dass »Ganz nebenbei« sich in aller Ausführlichkeit mit den Vorwürfen beschäftigt, wie auch nicht. Ob es Allen gelingt, sie auszuräumen, darf nun also jeder und jede selbst entscheiden, und was daran schlimm sein soll statt schiere Selbstverständlichkeit, ich weiß es nicht.

Aufs Buch wirkt der Streit Allen/Farrow zweischneidig: Zwar ist dieser Handlungsstrang spannungsreich und retardiert die lineare Karriere-Erzählung, aber wo es ans Eingemachte geht, kriegt die Diktion etwas Getriebenes, was wohl in der Natur der Sache liegt. Vieles lesen wir doppelt und dreimal, und die von vier Kräften stammende Übersetzung, die, vielleicht vor Eile, bedenkenlos amerikanisches Idiom eindeutscht (»wird die Flagge geworfen«, »Plötzlich habe ich den Hut auf und muss über Kameraperspektiven … bestimmen«), trägt eh schon nicht zum Eindruck bei, hier sei ein Text mit Sorgfalt lektoriert worden. Überdies kann der deutsche Allen alles »nachvollziehen« oder »nicht nachvollziehen«, und für diese Stupidität scheint mir der amerikanische zu intelligent zu sein.

Der ist nämlich, will ein frühkindlicher Test wissen, hochbegabt, aber er hasst die Schule, verbringt jede freie Minute mit Comics und Filmen und sehnt sich von Brooklyn aus über den East River. Gleich nach der Highschool wird er berufsmäßiger Gagschreiber, und die Karriere, die Allen Stewart Konigsberg macht, ist so stetig wie das Crescendo aus ihn umgebender Prominenz. Wer in das New York, genauer natürlich: das Manhattan der Stars, Regisseure und Diven eintauchen will, wird hier bestens bedient, und der ironische Effekt ist, dass man’s irgendwann fast müde wird zu lesen, wer nun (und sei’s in Paris) wieder Illustres im nächsten Film mitspielt.

»Ganz nebenbei« heißt im Original »Apropos of Nothing«, was ungleich besser nicht nur zum Rechtfertigungsteil des Buches, sondern auch zu Allens Selbstbild (oder -stilisierung) passt als nämlich »zum Filmemacher mutierter Witzbold« und, ich habe eine Weile mitgeschrieben, »Assel«, »Wrack«, »Einfaltspinsel«, »Ignorant«, »Nieselpriem«, »Schiffsschaukelbremser« und »Nichts«. Gags gibt es auch, aber die sind alte Allen-Schule: »Ich habe die Realität immer gehasst, aber es ist nun mal der einzige Ort, an dem man vernünftige Chicken Wings bekommt.« Er isst nämlich gern; und wer die Gags vermisst, der starte seine Retrospektive mit »Annie Hall«, dessen stark autobiographische Färbung jetzt geradezu ins Auge springt.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg