Humorkritik | Januar 2020

Januar 2020

Vielleicht ist aber auch der Witzeerzähler im Tiefsten Ordnungsmensch, denn nur so kann er den Witz als etwas Außergewöhnliches begreifen, das die Norm überschreitet. Der Geistlose merkt nicht mal, wo die Norm wäre.
Ruedi Widmer

Das Zäpfchen des Propheten

Um meine Koranfestigkeit ist es noch etwas schlechter bestellt als um meine Bibelfestigkeit. Sollte aus Anlass des fünften Jahrestages des Anschlages auf Charlie Hebdo bald wieder über »Islam und Satire« diskutiert werden sowie über die thematische Spezialverästelung »Wie viel Humor hat Mohammed?«, dann muss ich mich auf das Urteil von Kennern verlassen. Am liebsten auf das des unterhaltsamen Arabisten Wim Raven, dessen Seite »Lesewerk Arabisch und Islam« mir kürzlich aufgefallen ist und der zu berichten weiß, Mohammed habe »laut gelacht. So ist es zumindest in einigen Hadithen zu lesen: ›Der Prophet lachte so, dass man seine Eckzähne sah.‹ Ein Geräusch machte er auch dazu: ›Wenn der Prophet lachte, sagte er: qah qah‹ – was wohl dem deutschen ha ha entspricht«. Turban ab vor dieser Übersetzung! Weil es sich aber um ein heiliges Buch handelt und in solchen alles Mögliche zu finden ist, auch »stuff that contradicts the other stuff« (Ned Flanders, »Simpsons«), gilt andererseits: »Andererseits gibt es auch einen Hadith, aus islamischer Sicht genauso gut verbürgt, in der [sic] es heißt: ›Wenn der Prophet lachte, lächelte er nur‹, und in vielen Texten, in denen der Prophet lachend geschildert wird, steht nicht einmal mehr das Wort ›lachen‹ (dahika), sondern man hat schon gleich ›lächeln‹ (tabassama) geschrieben.« Wer soll solche Widersprüche in Einklang bringen? Natürlich ein ordnungsliebender Deutscher, genauer: der Orientalist Rudolf Sellheim (1928 – 2013). Dieser, so Raven, habe »manchem Fachkollegen einen Lachkrampf beschert mit seiner These, dass der Prophet so etwas wie eine Hasenscharte hatte«: Nur so habe er »zur gleichen Zeit lächeln und auch seine Eckzähne entblößen« können.

So gefällt mir Theologie. Was mich betrifft, verlasse ich mich voll auf die von Raven zitierte Gattin Mohammeds, Aischa bint abi Bakr: »Ich habe nie gesehen, dass der Prophet lachte, bis ich sein Zäpfchen sah; er hat immer nur gelächelt.« Raven bringt dann noch einen »Witz in Form eines Hadiths«, der belegen soll, der Prophet habe doch gelacht. Dessen Pointe ist, wie bei religiösen Witzen erwartbar, eine matte; mehr als diese amüsieren mich aber ohnehin die eckzahnscharfen Spitzfindigkeiten solcher Erörterungen. Qah qah!

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg