Humorkritik | April 2020
April 2020
Ich ergriff das Omen, und wir schieden im besten Humor, in der Hoffnung eines baldigen Wiedersehns.
Goethe, Italienische Reise
Noahs Aliens
Trevor Noah hat vor ein paar Jahren die »Daily Show« von Jon Stewart übernommen und problemlos auf ähnlichem Niveau gehalten. Ihn live zu sehen, genauer: sein Programm »Loud and Clear«, war mir ein Vergnügen. Noah ist einer der wenigen Komiker, die ein großes Publikum siebzig Minuten lang bei Laune halten können, ohne das Thema Sex zu bearbeiten oder allzu bewährte Klischees über die Unterschiede der Geschlechter, der Ethnien oder der Nationalitäten auszubreiten. Sein Bühnenoutfit signalisiert – wie bei den meisten Stand-up-Comedians in den Vereinigten Staaten – nichts als Alltäglichkeit; auf Lichtstimmungen, Musik und Requisiten kann er verzichten, die wenigen mimischen Einlagen werden durch zwei Videowände verstärkt.
Geboren wurde Trevor Noah 1985 als Sohn einer schwarzen Südafrikanerin und eines weißen Schweizers in Johannesburg – was ihm außer einem charmanten britischen (!) Akzent die Möglichkeit beschert, sein amerikanisches Publikum als Zugereister anzusprechen und das anbiedernde »Wir« zu vermeiden. Mehr noch: Es erlaubt ihm sogar, sich über die Angewohnheit der Amerikaner lustig zu machen, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ihre Nationalhymne zu singen und deren Phrasierung dabei abenteuerlich zu variieren. Ansonsten kommt er im Verlauf des Abends nur einmal auf seine Kindheit unter einem Apartheidsregime zu sprechen: Wenn er den kleinen Trevor vor dem Fernsehgerät sitzen und Science-Fiction-Filme wie »Independence Day« anschauen lässt, heilfroh, dass die Aliens stets das Weiße Haus und andere Kultstätten der USA planieren, während Afrika verlässlich verschont bleibt – oder haben Sie schon einmal gesehen, dass die Außerirdischen in Afrika landen … ? Als aus dem Auditorium »District 9« als Gegenbeispiel genannt wird, kann Noah eloquent kontern: Der Film spiele zwar in Südafrika – die Aliens seien aber nur dort, weil sie Raumschiffbruch erlitten hätten, und der Film zeige ihre verzweifelten Versuche, baldmöglichst wieder wegzukommen.
Natürlich muss auch das Thema Trump behandelt werden. Noah beginnt behutsam, indem er amerikanische Präsidenten mit Piloten von Passagiermaschinen vergleicht: Auf Bush, der das Navigieren seinem Co-Piloten Cheney überlassen habe, folgte Obama, der zumindest den Eindruck erwecken konnte, er wisse, was er tue. Danach hätten sich die Amerikaner gesagt, nun sei es Zeit für jemanden, der noch nie ein Flugzeug geflogen habe – und Trump würde eben das machen, was jeder macht, der zum ersten Mal in einem Cockpit sitzt: über die vielen Knöpfe staunen und der Versuchung nicht widerstehen können, jeden einzelnen von ihnen zu drücken. Auf dem bisher letzten stand nun mal »Impeachment«.
»Loud and Clear« ist ein Programm, das so schnell vorbeigeht wie ein netter Abend in guter Gesellschaft. Dass Noah selbst die ernste, persönliche Krankheitsgeschichte, die er zum Abschluss erzählt, mühelos in eine zweideutige Anekdote zu verwandeln versteht: auch das spricht für ihn.