Humorkritik | September 2019
September 2019
Einen lustigen Text zu schreiben ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, um eine Aggression akzeptabel zu machen.
Michel Houellebecq
Museumstipp
»Lachen.Kabarett« heißt eine noch bis 15. September laufende »Improvisationsausstellung« im Marbacher Literaturmuseum. Es gibt dort einige gruselig klingende Abteilungen wie ein »Kinder-Lachlabor« oder eine Schmunzelkamera, doch das soll Komikinteressierte nicht anfechten. Die Ausstellungsobjekte sind Ordner bzw. Materialsammlungen, denen man Folien entnehmen kann, um diese – das ist der »Improvisations«-Part – auf Overhead-Projektoren zu legen und an die Wand werfen zu lassen. Funk-, TV- und Livemitschnitte kann man über zahlreiche Kopfhörer begutachten.
Es ist nicht einfach, ein Thema, das auf dem geschriebenen wie gesprochenen Wort basiert, interessant aufzubereiten; hier ist es durchaus gelungen. Der Schwerpunkt liegt auf der Kabarettszene der 1900er bis 20er-Jahre, aber auch NS- und die Nachkriegszeit werden gestreift. In dem einsehbaren Material, von Programmheft bis Korrespondenz, begegnete mir illustres Personal, teils erwartbar (Morgenstern, Kästner, Jandl), teils überraschend: Neben A. Lindgren und M. Dietrich taucht auch ein gewisser Rainer Pries auf, der in den prüden Wirtschaftswunderjahren mit schlüpfrigen Varietéprogrammen Hamburg begeisterte – und, als er merkte, dass seine Zoten gut ankamen, als Marathonwitzler »Fips Asmussen« die Rolle seines Lebens fand. Neues erfuhr ich über den von mir gelegentlich erwähnten Hans Reimann, der nämlich ausweislich der Ausstellung bereits um 1950 eine Sammlung von Schiffbruchwitzen und Inselcartoons angelegt hat.
Fahren Sie flugs ins schöne Marbach, bringen Sie Zeit und ein warmes Oberteil mit; es ist sehr kalt in den Räumen.