Humorkritik | Mai 2019
Mai 2019
Die hochstaplerische Performance ist ein ernstes Geschäft, da darf man sich nicht plötzlich von außen betrachten und das Absurde der Situation wahrnehmen. Das ist wie beim Sex, da darf man auch nicht lachen, dann ist es vorbei
Hans-Ludwig Kröber
Gutes Rezept
Giulia Becker hat ihren ersten Roman veröffentlicht, und das weckt gewisse Erwartungen. Als »Schwester Ewald« auf Twitter für Bemerkungen der eher brachialkomischen Spielart bekannt, als Autorin fürs »Neo Magazin Royale« tätig und dort Urheberin von Musikvideos wie »Verdammte Scheide«, die souverän zwischen Pathos und Quatsch balancieren, sah ich die zornige, stramm feministische Underdog-Romanheldin bereits im Geiste vor mir.
Wenn gute Komik darin besteht, Erwartungen zu unterlaufen, ist dieses Buch namens »Das Leben ist eins der härtesten« per se komisch. Es treten auf: eine Handvoll Figuren um die 50, mit Arbeitsplätzen im Restpostenhandel, in der Bahnhofsmission oder ganz ohne. Sie sind keine nonchalanten, akademisch angehauchten Verlierer, sondern echte. Vor allem Protagonistin Silke, liebenswert und bescheiden, ist alles andere als eine komische Gestalt; zwischen Schein und Sein klafft hier gar nichts. Komikträchtiger scheint da schon ihre exzentrische Freundin Renate. Diese verfügt über ständig wechselnde Liebhaber – doch statt diesen Fakt pointentechnisch abzumelken, lässt Becker deren Namen nur ab und an fallen; und überhaupt erfreulicherweise fast jede Steilvorlage liegen. Eine komische Figur par excellence ist einzig Silkes Ex Roland, bei dem sich zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung eine gewaltige Lücke auftut, wenn er etwa mit seinem neuen Job als Restposten-Verkäufer prahlt (»Ich ziehe Geld an wie ein Magnet«).
Es sind Jobbeschreibungen wie diese (oder auch jene einer friesischen Knochenbrecherin), die mir am ehesten den einen oder anderen Gluckser entlocken. Zitierfähige Pointen finden sich nahezu nirgends, dafür besticht der Roman durch eine Überfülle skurriler Details, zu nennen sei nur Mutter Petras »Flattermann«-Rezept: Hähnchen, mehrstufig eingelegt und geköchelt in Strohrum, Rotwein und Cognac. Ob Teleshopping-Impulskäufe oder ein Ausflug zum Polenmarkt, nichts wird als Trash verlacht, sondern als Alltag eines beachtlich großen Bevölkerungsanteils präsentiert. Qualvoll ist einzig die Rezeption und Vermarktung des Buches: »Voller wunderbar wundersamer Charaktere« (Rowohlt Verlag) – über Phrasen wie diese würden Beckers Figuren wohl nur die Schultern zucken und den nächsten »Schoko Peng!« (Kakao mit Schuss) oder Flattermann-Fleischsud wegschädeln.