Humorkritik | Mai 2019
Mai 2019
Die hochstaplerische Performance ist ein ernstes Geschäft, da darf man sich nicht plötzlich von außen betrachten und das Absurde der Situation wahrnehmen. Das ist wie beim Sex, da darf man auch nicht lachen, dann ist es vorbei
Hans-Ludwig Kröber

Dieter Baumann kommt an
Ich muss Sie enttäuschen, doppelt womöglich. Zum einen macht der alte Mentz zuweilen noch etwas, was vermutlich längst verpönt ist: ironisch konsumieren wollen. Und dann gelingt es ihm nicht einmal.
Aber von vorn: Der 5000-Meter-Olympiasieger von 1992, Dieter Baumann, »tourt als Kabarettist durchs Land«, wie mir »Spiegel online« verriet. Haha, dachte ich, das klingt ja fürchterlich genug, um es sich anzutun. Und doch kommt der Mann an, bei seinem Publikum, größtenteils bestehend aus Freizeitläufern, und zu meiner Überraschung auch bei mir. Denn Baumann, gut vorbereitet, präsentiert nach einem erstaunlich schlagfertigen Austausch mit dem Publikum nicht nur Geschichten, ein Lied, Parodien und sogar Tanznummern zu den Stationen seines Lebens bzw. entlang eines Ultralaufes (100 Kilometer) – er bekommt sogar etwas Tiefgang, ohne dabei pathetisch zu werden. Kabarett oder Comedy ist das natürlich nicht, Baumann täuscht keinen höheren Anspruch vor, als ein heiter- bis launiges Egotheater für ein Spezialpublikum aufzuführen, und ich freue mich, eine mir wenig bekannte Welt mit humorigen Mitteln vorgestellt zu bekommen. Denn so anders ist die Typologie der Läufer am Ende auch nicht als die von anderen Special-Interest-Bünden. Und ich brauche keinen Meter sportlich gelaufen zu sein, um z.B. eine solche Beobachtung treffend und komisch zu finden: »Marathonläufer bestehen immer darauf, dass ein Marathon nicht 42 Kilometer hat, sondern 42,195. Da sind sie ganz genau – aber bei jeder Kurve über den Gehsteig abkürzen!«
Dieter Baumann ist auf der Bühne zu keinem Zeitpunkt peinlich oder außerhalb seines Elements – und das ist mehr, als man über so vieles auf deutschen Kleinkunstbühnen sagen kann.