Humorkritik | März 2019

März 2019

Unlängst in Zeitungs Kulturtheil
Las ich ein slowenisches Gedicht
Des Kollegen Slowo Wenja
(Alle beide kannte ich nicht)

Das Gedicht war keins über die Flora
Und auch die Fauna kam kaum drin vor
Und es paßte weder ins tragische
Noch ins Humorressort

Horst Tomayer

Bezaubernder Cheney

Ganz einig ist die amerikanische Kritik nicht über »Vice«, das satirische Filmporträt des ehemaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney: Der Chefkritiker des »Hollywood Reporter« nannte es seinen »Lieblingsfilm des Jahres 2018«, andere beklagten sich über filmisches Chaos und darüber, dass statt einer »serious examination« eine »reductive exaggeration« geboten werde; oder andersherum, egal.

Der Film von Regisseur Adam McKay zeigt das Leben Cheneys als Abfolge bekannter Highlights, die sich auch auf Wikipedia nachlesen ließen; wofür sich die Filmemacher allerdings bereits im Prolog entschuldigen. Dort heißt es zwar »based on a true story«, allerdings sei bei einer so geheimniskrämerischen Figur wie Cheney das mit der Wahrheit nicht so einfach – »but we did our fucking best«. Der Mann hinter George W. Bush wird als Karrierist gezeichnet, dessen politische Agenda in einem etwas indifferenten Konservatismus besteht. Er spricht seltsam und langsam, hat dauernd Herzinfarkte und ein ausgeprägtes Geschick darin, Macht zu erlangen.

Interessant ist dabei der inszenatorische Rahmen: Ein mysteriöser anonymer Erzähler kommentiert das Geschehen. Wir sehen diesen als Familienvater, als Arbeiter und Soldat, er spricht das Publikum direkt an und lässt dabei offen, »woher ich so viel über Dick Cheney weiß«. Die Komik entspringt also weniger der Geschichte oder einzelnen Situationen, als eher der Inszenierung selbst, zum Beispiel wenn nach etwa der Hälfte des Films – Cheney zieht sich nach einer Wahlniederlage aus der Politik zurück und wird CEO von Halliburton – die Geschichte mit dem Hinweis beendet wird, er und seine Frau Lynne hätten sich fortan hauptsächlich um ihre Golden Retriever gekümmert. Die Credits rollen durchs Bild – bevor der Teil mit Cheneys Vizepräsidentschaft überhaupt erst beginnt.

»Vice« ist mehr filmisches Kabarett als Satire. Seine Botschaft ist moralisch und plakativ, das Publikum irritieren, abstoßen, veralbern oder auf eigene Selbstgerechtigkeiten hinweisen will der Film nicht, auch wenn er gegen Ende der Cheney-Figur selbst das Wort erteilt, die dann den Kinobesuchern ihre Sicht der Dinge darstellen kann. Doch Cheneys Einlassung wirkt starrsinnig, der Film behält die Oberhand über die Deutung der Ereignisse, nimmt die kleine Irritation damit sofort wieder zurück und bestätigt so den Zuschauer und sich selbst in seiner moralischen Überlegenheit. Gut unterhalten wird man hier allerdings sehr wohl. Wie es etwa Sam Rockwell gelingt, George W. Bush zu karikieren, indem er ihn noch etwas dämlicher dreinschauen lässt als das reale Vorbild, das ist beeindruckend und technisch perfekt, ohne dabei Bush zur Schießbudenfigur zu machen. »Vice«, ab 21. Februar im Kino, ist ein spektakulärer, lustiger Film; ich empfehle ihn, auch, weil man hier besichtigen kann, wie Satire gelingen bzw. trotz aller technischer Versiertheit auch scheitern kann.

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner