Humorkritik | Juni 2019

Juni 2019

»Ich überlegte, ob Jahre engen Zusammenlebens sogar bei einer Primärreaktion wie Lachen einen gemeinsamen Ton erzeugen können.«
Siri Hustvedt, »Die unsichtbare Frau«

Falsche Antwort

Manches weiß das Klischee über den Humor der Völker, am meisten wohl über den englischen (typisch) und den deutschen (keinen), aber hat man je etwas vom türkischen, gar albanischen Humor gehört? Ich jedenfalls nicht.

Der Film »2 Gisht Mjaltë« (übersetzt etwa: »2 Finger Honig«) könnte darüber vielleicht Auskunft geben. Dass er, trotz seines rätselhaften Titels und obwohl er ausschließlich in untertitelter Originalfassung zu sehen ist, einen Verleih gefunden hat, dürfte mit dem überraschenden Erfolg zu tun haben, den er in Albanien und später auch im deutschsprachigen Teil der Schweiz gehabt hat. »2 Gisht Mjaltë«, gedreht von dem türkischen Regisseur Emir Khalilzadeh, der kein Albanisch spricht, wird fast ausschließlich von zwei wenig talentierten Laiendarstellern getragen, dem Komiker Ermal Mamaqi, der auch das Drehbuch geschrieben hat, und der Popsängerin Elvana Gjata. Beide sind in Albanien Superstars.

Um einen interessanten Plot schert sich der Film nicht gerade, er erzählt eine klassische Liebesgeschichte mit Verlobung, Hochzeit, Flitterwochen, Streit, Versöhnung, Happy End. Weil der Bräutigam die Tickets für den Flitterurlaub in der Karibik auf das falsche Jahr gebucht hat, seine Mutter aber insistiert, abgesagte Flitterwochen würden Unglück und Scheidung bringen, müssen Braut und Bräutigam sich nun durch Albanien schlagen – auf der Suche nach Glück und Erholung, in einer Abfolge von mehr oder (meistens) weniger lustigen Sketchen. Besonders der »Falsche-Antwort-Witz« scheint es Khalilzadeh und Mamaqi angetan zu haben: Etwa sagt beim Heiratsantrag die Gefragte erst mal »Nein«, dann aber: Haha, war nur Spaß, klar heirate ich dich. Neben einer Hochzeitsansprache, die zu einer Trauerrede mit Schweigeminute wird, konnten mich nur wenige Details erfreuen, die vielleicht einen Blick auf den albanischen Humor werfen lassen: So zeigt sich ein hübscher Hang zu unplausiblen Flüchen – »Ich werde dir deine Beine abhacken und sie dir um den Hals hängen!« –, und der Frauenname »Remzije« scheint in Albanien ein derartiger Alptraum zu sein, dass sich die Braut statt dessen »Emma« nennt und der künftige Ehemann auf ihr spätes Namensgeständnis fassungslos reagiert: »Ruf mich nie wieder an!« Aber auch das war natürlich nur ein Falsche-Antwort-Witz.

Abgesehen davon bewegt sich »2 Gisht Mjaltë« während der 100 Minuten Spielzeit auf dem erbarmungswürdigen Niveau etwa der seligen Bullyparade – inklusive Grimassen und Schwulenwitzchen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg