Humorkritik | Juni 2019

Juni 2019

»Ich überlegte, ob Jahre engen Zusammenlebens sogar bei einer Primärreaktion wie Lachen einen gemeinsamen Ton erzeugen können.«
Siri Hustvedt, »Die unsichtbare Frau«

Mit Särgen bepflanzt

Wo »raupen-schmaus erstirbt durch schnabels wucht«, da »wächst der wald den niemand wachsen sah / Der forst der zeptern und gewehren gleicht«: In diesem finsteren Tann steht eine Burg, und in der Burg versammelt der rechtsextreme Dichter Storm Linné seine Anhänger – sowie einen Journalisten, der Stoff für eine kritische Reportage wittert. Jörg-Uwe Albigs Roman »Zornfried« (Klett-Cotta) hat komische Szenen, etwa beim Waldspaziergang, der einen der rechten Schwadroneure zu Gedanken über die natürliche Ordnung inspiriert: »Jeder an seinem Platz, sagte Schierling dann mit gepresster Stimme. Wenn die Eiche nicht stillsteht, findet der Specht keine Nahrung.«

Eichen soll’n nicht weichen. Zum Lachen sind aber auch die Gedichte Linnés in ihrem verklemmten Schwulst: »Frau erde duldet stolz wenn keiler wühlen / Wenn grauer rotte huf die krume bricht / Wenn dachs und fuchs ihr lindes fleisch verheeren / Und wurmes bohren tiefe wunden sticht.« Leider kriegt man davon irgendwann genug, denn nicht nur werden sie fortwährend von sämtlichen Burgbewohnern bei sämtlichen Gelegenheiten zitiert, sie leiten auch noch jedes einzelne Kapitel ein. Und das ist noch gar nicht das Hauptproblem des Romans: Falsches Denken an falscher Sprache kenntlich zu machen erfordert Sicherheit des Ausdrucks; in »Zornfried« aber gibt es Straßen, »bepflanzt mit spitzgiebeligen Särgen« (gemeint sind vermutlich Häuser); »unsichtbare, undurchschaubare Menschen« (beides zusammen geht aber nicht); es kommt ein Rücken vor, der »grimassierte im schwarzen T-Shirt«, und auch Gefühlsregungen geraten polyvalent: »Als sie mich anschaute, sah ich ihre Angst, aber auch ihre Hoffnung. Beleidigt schob sie die Lippe vor, mit einer Mischung aus Ekel und Ungläubigkeit.« Mich lässt die Lektüre von »Zornfried«, mit Hoffnung begonnen, in einer Mischung aus Befremden und Gleichgültigkeit zurück, und mein Rücken runzelt die Stirn.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt