Humorkritik | März 2018
März 2018
Lachen ist ein Heilmittel, dessen stillende Kraft man nicht sattsam ermißt.
Jeremias Gotthelf
Spaßlos häßlicher Serienspaß
Die auf Netflix abrufbare komisch-dramatische, auf einer Graphic Novel basierende britische Serie »The End of the F***ing World« vereint sehr viel Wahres, Gutes, Schönes und Kurrentes. Wirkt sie zunächst wie ein überästhetischer Indietraum mit eindrücklicher Musikauswahl, einer unüblich wenig gefälligen Protagonistin und dem generationstypischen, der aktuellen Popkultur inhärenten zynisch-ironischen Haß auf die Welt, überrascht sie doch schnell damit, mehr als das zu sein: Die Geschichte um zwei Teenager, die von zu Hause abhauen, weil sie von ihren Eltern genug haben, mag dem älteren Zuschauer nicht neu vorkommen. Sie erinnert an »Submarine« (2010), auch an »Thelma & Louise« (1991), und wie einst bei Wolfgang Herrndorfs »Tschick« erfreut es mich, daß jemand so geschickt den »Fänger im Roggen« remixen kann. Doch ist diese Mischung aus Coming-of-age, Road Movie, motivisch lächerlich-traurigen Erwachsener, ihre Psychopathologien zelebrierenden und reflektierenden Teenagern mit klugem Timing umgesetzt. Das zeigt sich gerade in der vielschichtigen, wohldosiert morbiden und nie fehlzündenden Komik.
Was »The End of the F***ing World« aber vor allem dem Genre hinzufügt, ist die schonungslose Zeichnung männlicher Figuren, die lächerlich bis archaisch ihr Scheitern zu kaschieren versuchen und im Moment der Wahrheit nur verbal bis mörderisch gewalttätige Auswege wählen können. Die beiden Jugendlichen Alyssa und James werden immer wieder direkt oder indirekt mit diesem Versagen konfrontiert. Dabei kippen die Männerkarikaturen in die erschreckend freud- und spaßlose Häßlichkeit ihrer Deformationen; eine Art Anti-Pointe. Auch das Happy End wird verweigert: Weder wird die sexuelle Ästhetisierung der Rache, wie man sie aus Rape-Revenge-Verfilmungen kennt, zelebriert, noch wirkt die einzige männliche Heldentat heroisch, eher traurig und verzweifelt.
Einziges Manko ist ein formales: Muß heute wirklich alles eine Serie werden? Zehn Minuten eingespart, hätten wir einen Anwärter auf den Film des Jahres. So droht eine zweite Staffel, die eigentlich nur kaputtmachen kann, was an Wahrem, Gutem usf. in »The End of the F***ing World« steckt.