Humorkritik | Oktober 2017

Oktober 2017

Wenn Sie in den Zoo gehen, dann werden Sie feststellen, daß die Besucher nicht über Pinguine oder Giraffen lachen – obwohl letztere, wie ich finde, sehr lustig aussehen. Aber die Besucher lachen über die Affen. Weil sie sie damit auf Distanz halten wollen. Es ist ein bißchen so wie das Verhältnis von Nachbarländern: Wir Niederländer reißen zum Beispiel oft Witze über die Belgier – aber nicht über die Chinesen.
Frans de Waal

Wer war Goethe?

Der Shakespeare Deutschlands heißt Goethe. Aber wer war Shakespeare? Wer er nicht war, dürfte sich herumgesprochen haben: Shakespeare. Wer aber war Goethe? 1897 machte sich ein gewisser Heinrich Rudolph Genée daran, »Das Goethe-Geheimnis« zu knacken und »eine sensationelle Enthüllung« (so der Untertitel) zu verkünden: daß auch Goethe ein anderer war. Oder genauer gesagt, daß er seine Meisterwerke jemand anderem verdankt. Nämlich Schiller.

Alles begann 1779. Damals wohnte Goethe in Stuttgart einer Prüfung der Karlsschüler bei, wurde auf den talentierten Zögling aufmerksam und sicherte sich die Dienste des genialen, aber mittellosen Schwaben: »Der Zweck dieses geheimen Bündnisses war es zunächst, daß Schiller die unbrauchbaren Goetheschen Entwürfe zu Iphigenie, Egmont und Tasso zu sich nahm, um daraus etwas ganz Neues zu gestalten – und das ist denn auch geschehen.« Nicht zu vergessen den »Faust«, der dann endlich 1790 gedruckt werden konnte; »was darin auf Goethes eigene, persönliche Rechnung kommt, ist schwer zu sagen.«

Mit dem zweiten Teil des »Faust« konnte Goethe aber schwerlich zu Rande kommen, weil ihm Schiller 1805 wegstarb. »Ich verliere in demselben die Hälfte meines Daseins«, wehklagte Goethe und brauchte fünfundzwanzig Jahre, um die »zahlreichen gar nicht zusammenhängenden und meist fragmentarischen Poesieen zu einem harmonischen Ganzen (zu) gestalten«. Er scheiterte: Der zweite Teil ward nichts als ein »wirres Sammelwerk von nicht zusammengehörenden und von der Faust-Idee weit abschweifenden Dingen«, so Genée: »Schillern war es wenigstens durch seinen frühzeitigen Tod erspart geblieben, diesen ›Zweiten Teil‹ schaudernd zu erleben.«

Man könnte versucht sein, dies alles als Spekulationen abzutun, doch der Literaturdetektiv hat Beweise. Unmöglich können die vielen Parallelen zwischen Goethes und Schillers Werken Zufall sein: »Die wilde Begierde dringt mit Gewalt auf das Weib und macht die Lust zum Entsetzen«, so Goethe in »Hermann und Dorothea«; »Da werden Weiber zu Hyänen / Und treiben mit Entsetzen Scherz«, so Schiller im »Lied von der Glocke«. Goethe: »Halb zog sie ihn, halb sank er hin / Und ward nicht mehr gesehn« (»Der Fischer«); Schiller: »Und schnell entschwand sie mir und ward nicht mehr gesehn« (»Die Braut von Messina«). »Ich sah den König kommen«, schreibt »Goethe« in der Iphigenie; »Der König!« ruft der Marquis in Schillers »Don Carlos«; »Guten Abend, Mutter« grüßt Goethes Egmont, »Guten Abend, Schwester«, grüßt Gianettino in Schillers »Fiesco«; und befiehlt der Meister in Goethes »Zauberlehrling«: »In die Ecke, Besen! Besen! Seid’s gewesen«, so steht das Muster in Schillers »Don Carlos«, wo der Titelheld fragt: »Bist du denn nicht Minister?«, und der Gefragte erwidert: »Ich bin’s gewesen.« Goethe hatte also allen Grund, dem Toten nachzurufen: »Denn er war unser!«, soll heißen: »Denn er war mein!« Denn sein, nämlich Schillers, waren Goethes große Meisterstücke. Aber nur die. Goethes schon immer für Befremden gesorgt habende Masse an billigen Reimereien und lahmer Prosa hingegen, eben alle die »Machwerke wie der Bürgergeneral, der Groß-Cophta und andere Unbegreiflichkeiten« finden nun eine simple Erklärung: Die hat Goethe selbst geschrieben.

So weit, so schon ziemlich lustig – ein Leser indes nahm bierernst, was der Musiker, Regisseur, Redakteur, Dramatiker, Literarhistoriker und Shakespeare-Verehrer Heinrich Rudolf Genée (1824–1914) unter dem Shakespeareschen Pseudonym »P. P. Hamlet« den Goethe-Anbetern unterjubelte. Der gebildete Stiesel klierte in sein Exemplar empörte Kommentare an den Rand wie »Das sehe ich gar nicht ein!« oder »Blühender Unsinn!«, die unfreiwillig die Komik noch erhöhen. Im von Ulrich Goerdten unter dem Titel »Wir aber sind objektiv« herausgebrachten und womöglich nur noch antiquarisch erhältlichen oder in gutsortierten Bibliotheken einsehbaren Bändchen kann man Genées Schrift »Das Goethe-Geheimnis. Eine sensationelle Enthüllung von P. P. Hamlet« samt den »Randbemerkungen von einem gebildeten Dummkopf« nachlesen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg