Humorkritik | Oktober 2017

Oktober 2017

Wenn Sie in den Zoo gehen, dann werden Sie feststellen, daß die Besucher nicht über Pinguine oder Giraffen lachen – obwohl letztere, wie ich finde, sehr lustig aussehen. Aber die Besucher lachen über die Affen. Weil sie sie damit auf Distanz halten wollen. Es ist ein bißchen so wie das Verhältnis von Nachbarländern: Wir Niederländer reißen zum Beispiel oft Witze über die Belgier – aber nicht über die Chinesen.
Frans de Waal

Nachmittag mit Zschokke

»Am amüsantesten ist es, wenn Zschokke schimpft« – mein Urteil (Titanic 9/2011) über den Schweizer Dichter Matthias Zschokke konnte ich nun bei der Lektüre seines neuen Werkes überprüfen. Im Büchlein »Ein Sommer mit Proust« (Wallstein) berichtet Zschokke, wie er einen Sommer lang die komplette Proustsche »Suche nach der verlorenen Zeit« durchgelesen hat; angeblich, um von niemandem mehr bezichtigt zu werden, einen kanonisierten Klassiker der Moderne nicht zu kennen, offensichtlich aber auch, um sich stolz zu den wenigen Bezwingern des Mammutwerks zählen zu dürfen – und vielleicht sogar mit publizistischen Verwertungshintergedanken; wer wollte es ihm vorhalten? Ich nicht.

Schon beim Start schwant Zschokke Schlimmes: »Was ich schon jetzt sagen kann: Sehr, sehr viele Wörter.« Tapfer liest er weiter, um herauszufinden, ob es sich bei den sehr, sehr vielen Wörtern vielleicht doch um gute, an der richtigen Stelle plazierte handelt. Guter Wille ist anfangs durchaus vorhanden: »Die meisten Dialoge in den Salons gefallen mir. Sie kommen mir zwar vor wie dem Boulevard entliehen, aber ich habe schließlich eine Schwäche für Klatsch und Tratsch«. Jedoch: »Kann es sein, daß ich mit seiner Psychologie Mühe habe?« Und: »Die Bewunderung wächst parallel zur Wut.« Der gequälte Leser Zschokke wird immer ungeduldiger, bis er gegen Ende seiner Lektüreleidenszeit nicht mehr an sich halten kann: »Taumelnd vor Erschöpfung melde ich mich von der Basisstation zur siebten und letzten Etappe«, auf der er zum unbarmherzigen Fazit gelangt: »Man kann den Schmarren allein über die Sprache rechtfertigen. Die ist aber, je länger es dauert desto mehr, reine Klöppelei, Geklingel, Lametta«, vermutlich weil ihr Autor, »zum Winseln verschwätzt«, an einer »schweren Logorrhöe leidet« und in einem »unangreifbaren Teflonstil« »gedengelt daherlabert«. Um persönlich zu werden: »Was für ein monströser Lügner, Angeber, Arschlecker, Feigling.«

»Was man gelesen haben muß, muß man nicht gelesen haben«, lautet Zschokkes Moral. Eine vergleichbar simple Conclusio ließe sich natürlich recht leicht auch auf seine Proust-Polemik anwenden – und doch fühlte ich mich einen Sommernachmittag lang mit Zschokkes anschwellendem Keinen-Bock-mehr-Gesang gut unterhalten.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg