Humorkritik | September 2016

September 2016

Ist das Zeichen eines guten, eines wahren Scherzes nicht, daß er zugleich ein Vorschlag ist, ein Hinweis, eine Idee?
Peter Handke

Tool Fool

Grundsätzlich habe ich keine Einwände gegen Bücher, aus denen ich etwas lernen kann. Aus »Lachen, wo andere Urlaub machen. Dem deutschen Humor auf der Spur« (Blanvalet), einem Werk des Comedians Christian Eisert, der nicht nur Witze für TV-Auftretende à la Alfons schreibt, sondern lt. Selbstauskunft zudem als »der erfolgreichste Comedy-Coach Deutschlands« tätig ist, lerne ich einiges. Ich lerne zum Beispiel, wie der harte Alltag eines Gagschreibers aussieht, wie viel Zeit man für die Witzablieferung hat und wie viele Witze man in dieser Zeit verfertigen muß. Ich erfahre, was für Tricks, pardon: »Tools« man anwendet, um auf ernüchternd schematische Weise Gags am Fließband zu produzieren; und natürlich wird einem dabei auch klar, warum eine primär ökonomischen Zwecken dienende Fernsehcomedy so geistlos ist.

Ich lerne aber auch zum wiederholten Mal, wie Etikettenschwindel geht, denn der Untertitel »Dem deutschen Humor auf der Spur«, der suggeriert, Eisert gehe der beliebten Frage nach, ob es deutschen Humor gibt und wie der denn aussieht, führt in die Irre, handelt es sich bei Eiserts Buch doch um eine Reihe reportageartiger Geschichten, in denen der Autor, der vor lauter Insiderwissen über die Muster des Lachenmachens selber nicht mehr lachen kann, Orte aufsucht, an denen er das wieder lernen will. Was ihm auf einer Lachtanzparty in Berlin, beim Lachyoga im Münsterland oder auf einer Lachmesse in Leipzig widerfährt, ist jedoch wenig erhellend, weil sich Eisert aufs anekdotische Geplauder beschränkt, viel zu selten über Humor und dessen Produktionsbedingungen reflektiert und seinerseits eine Komik praktiziert, welche, Fron und Routine des »Lacharbeiters« verratend, sehr müde daherkommt, wie hier am Beispiel eines Versuchs, sich über Krefeld lustig zu machen: »Wem es gelingt, sich im Geiste das fleischige Narbengesicht des deutschen Schauspielers Claude-Oliver Rudolph vorzustellen, der hat eine Vorstellung von Krefeld.« Mir gelingt es; eine Vorstellung von Krefeld stellt sich dabei jedoch, wenig überraschend, nicht ein.

Die gelungenste Pointe des Buches findet sich bereits ganz vorne, im Impressum: »Dieser Titel ist bereits 2011 unter dem Titel ›Fun Man‹ erschienen.« Gleichzeitig mit »Lachen, wo andere Urlaub machen« ist übrigens ein weiterer Eisert-Titel auf den Markt gekommen: »Viele Ziegen und kein Peter. Eine Ferienfahrt zu den Schweizern« (Ullstein). Den habe ich mir aber nicht besorgt, ich fürchte nämlich, daß er bereits 2014 unter dem Titel »Kim & Struppi – Ferien in Nordkorea« erschienen sein könnte.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg