Humorkritik | September 2016

September 2016

Ist das Zeichen eines guten, eines wahren Scherzes nicht, daß er zugleich ein Vorschlag ist, ein Hinweis, eine Idee?
Peter Handke

Etikettenschlamp

Und damit zu einem zweiten Fall kühner Etikettierung, zur Anthologie »Die komischen deutschen Erzähler. 119 gewetzte Geschichten aus 400 Jahren« (Haffmans bei Zweitausendeins). Über das Wort »gewetzt« weiß ich nichts zu sagen, kann also nicht beurteilen, ob es angebracht oder verfehlt ist. Daß es sich um 119 Texte handelt: das ist gezähltermaßen richtig. Sonst aber stimmt an diesem vom alten Gerd Haffmans persönlich herausgegebenen und kuratierten Buch kaum etwas, fast: nichts.

»Komisch«? Darüber läßt sich streiten. Schöne, wenngleich ziemlich abgehangene Ware der zum Gutteil bereits längst verstorbenen (und deshalb wohl besonders kostengünstigen) Herren und Damen Johann Peter Hebel, Ludwig Börne, E.T.A. Hoffmann, Fanny Müller, Karl Valentin, Wolfgang Hildesheimer u.v.m. steht neben ungewohnt schwachen Beiträgen von, man staune, Loriot, Bertolt Brecht oder Frank Schulz; über schwer Staubiges (Gerhard Mensching), gänzlich Humorfreies (Thomas Manns Exkurs zu Friedrich II.) und Supermist wie Hirschhausens Toilettenprosa oder den Sexualkolumnenquark einer Frau Sophie Andresky tröstet mich immerhin die Entdeckung eines Christof Stählin und einer Karin Kusterer hinweg.

Nicht streiten läßt sich über den Begriff »Erzähler«. Ich finde in dem Buch Romanauszüge (etwa aus »Vienna«, dem Debüt der Reserve-Tante-Jolesch Eva Menasse), Glossen (des früheren FAZ-Mannes Georg M. Oswald), Vignetten (von F.K. Waechter), Aphorismen (von Schopenhauer), Dialoge (von Heino Jaeger), Filmrezensionen (von Tucholsky), Tagebücher (von Hinz), Kabarett-Texte (von Kunz), und, weil’s darauf offenbar auch nicht mehr ankommt, Zeichnungen (von Wilhelm Busch). Ja, auch Erzählungen. U.a. – u. sehr viel a. Wenn aber zu den »komischen deutschen Erzählern« auch Peter Altenberg, Joseph Roth, Arthur Schnitzler, Peter Bichsel, Urs Widmer und Gottfried Keller gezählt werden, dann ist endgültig klar, daß hier die schiere Willkür fuhrwerkt und man die »Komischen deutschen Erzähler« auch »Die mitunter nicht ganz so komischen Schweizer Historiker« hätte nennen können oder »Teilweise komische österreichische Ärzte«.

Lachen mußte ich immerhin über die Autorenvitae. Brechts Geburtsjahr 1998 mag noch ungefähr hinkommen – doch wie die Austragung und Geburt der Brüder Grimm (Jacob, *4.1.1785, und Wilhelm, angeblich *24.2.1785) medizinisch vor sich gegangen sein soll, das stelle ich mir durchaus komisch vor. Wie eine Szene von Loriot. Respektive von Gerd Haffmans.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.12.2023 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Til Mette
06.12.2023 Oldenburg, Wilhelm 13 Bernd Eilert mit Sandra Kegel und Klaus Modick
06.12.2023 Berlin, Das ERNST Hauck & Bauer mit Kristof Magnusson
07.12.2023 Bad Homburg, Kulturzentrum Englische Kirche Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige