Humorkritik | Mai 2016
Mai 2016
»Man verzeihe mir, daß ich im flipprigen Tone eine Streitfrage behandle, von deren Lösung das Wohl Englands und daher vielleicht mittelbar das Wohl der Welt abhängt. Aber eben je wichtiger ein Gegenstand ist, desto lustiger muß man ihn behandeln. Das wissen die Engländer, und daher bietet ihr Parlament auch ein heiteres Schauspiel des unbefangensten Witzes und der witzigsten Unbefangenheit, bei den ernstesten Debatten.«
Heinrich Heine, »Englische Fragmente«
Unterird
Unlängst habe ich eine Brasch-Hour damit verbrascht, Unsinn: verbracht, Marion Braschs Buch »Die irrtümlichen Abenteuer des Herrn Godot« (Voland & Quist) zu lesen. Anm.: Brasch-Hour ist ein fürchterlicher Kalauer, der auf hanebüchene Weise den Autorinnennamen Brasch mit dem Begriff Rush-Hour in einen einzig und allein dem felsenfesten Vorsatz zum Witzigsein verpflichteten Zusammenhang zwängt und selbstverständlich völlig unter meinem Niveau ist, aber sehr gut trifft, was Brasch in ihrem etikettenschwindlerischen Buch so treibt. Das hat nämlich mit Becketts »Warten auf Godot« rein gar nichts zu tun und enthält im übrigen auch kein einziges »Abenteuer«. Vielmehr ist es eine zusammenhanglose Kette von Fabeln, Märchen und Schnurren.
Bei Brasch fürchtet Godot nichts, »bis auf drei Dinge: Hunde, Katzen und die Möglichkeit, daß es anfangen könnte, Hunde und Katzen zu regnen«. Bei Brasch darf ein Schaf auftreten, das einen Affen, und zwar – hoho! – einen »Lackaffen« besitzt, welcher sich einen Gabelstapler wünscht: Und schon »besorgte das Schaf einen Stapler und viele Gabeln, und der Affe konnte diese nach Herzenslust stapeln«. Herzenslustig. Bei Brasch erscheint »dieser Mann«, welcher Besitzer einer Nahrungskette ist, »die lustig vor seiner Brust hin- und herpendelte«. Auch lustig. Oder jene »Frau mittleren Alters. Sie war eine Fischfängerin, weshalb sie eines Tages beschloß, einen Fisch zu fangen«; oder das »Unterird, das lebte ganz allein in einem verlassenen Stollen.« Unterirdisch. »Und was ist eigentlich aus dem Marmeladenzwerg geworden, der inzwischen Karriere als Himbeergeist gemacht hat? Egal, zum Teufel mit ihm.« Genau. Und mit dem ganzen unsinnigen Buch auch. Damit es seinen Platz wieder da findet, wo es seinen Ursprung hat: in der Wortspielhölle.