Humorkritik | Mai 2016
Mai 2016
»Man verzeihe mir, daß ich im flipprigen Tone eine Streitfrage behandle, von deren Lösung das Wohl Englands und daher vielleicht mittelbar das Wohl der Welt abhängt. Aber eben je wichtiger ein Gegenstand ist, desto lustiger muß man ihn behandeln. Das wissen die Engländer, und daher bietet ihr Parlament auch ein heiteres Schauspiel des unbefangensten Witzes und der witzigsten Unbefangenheit, bei den ernstesten Debatten.«
Heinrich Heine, »Englische Fragmente«
Gruppenbild mit Häme
Günter Grass streckt, »durchströmt vom angenehmen Bewußtsein, Günter Grass zu sein, die Beine aus«: »Als Narr war er stark.« Das gilt freilich desgleichen für Hellmuth Karasek, »der sich Mühe gab, immer ein wenig klüger zu wirken, als er war – wogegen nichts zu sagen war, denn das trifft ja auf alle zu, bei ihm merkte man es aber«, nämlich wegen seines peinlichen Benehmens: Sagte z.B. irgend jemand irgend etwas Gescheites, »sprang dann gleich der eifrige Karasek auf, um auch noch etwas zu sagen, was nicht falsch war«. Auch über Erich Fried gibt es nicht viel Vorteilhaftes zu berichten: Er »fand seine Gedichte gut. Er fand sie sogar sehr gut.« Ein Urteil, das offensichtlich nicht von allen geteilt wurde. Ziemlich trostlos auch Walter Höllerer: »Wie eine getrocknete Eule« saß der auf seinem Stuhl. Einzig und allein »Reich-Ranicki verbreitete Heiterkeit und gute Laune, aber so richtig ernst nahmen sie ihn nicht«.
Sie, das sind die Teilnehmer der Gruppe 47, denen Jörg Magenau in seinem Buch »Princeton 66. Die abenteuerliche Reise der Gruppe 47« (Klett-Cotta) ein wenig schmeichelhaftes, dafür aber lustiges Gruppenbild mit Häme widmet. Denn weniger um die per Untertitel verheißene Abenteuerexkursion als vielmehr um eine ziemlich lächerliche Klassenfahrt scheint es sich beim USA-Trip der vom Cicerone Hans Werner Richter nur unzureichend gebändigten, von Th. Mann als »Rasselbande« titulierten deutschsprachigen Spitzenautorenassoziation gehandelt zu haben; »drei Tage Mittelmaß und ein paar politische Erregungen am Rande« bilanziert zumindest Magenau: »Es hat sich gar nichts ereignet.« Von diesem allenfalls durch den berühmt gewordenen, tatsächlich aber wohl auch nicht wirklich skandalösen Auftritt des jungen Handke in Erinnerung gebliebenen Nichts weiß er allerdings auf immerhin 223 Seiten wortreich und farbig zu erzählen. In Zeiten, in denen die Gattungsbezeichnung »Roman« auch dem romanfernsten Opus aufgepappt wird, muß Magenaus hübsches Werk seltsamerweise als Sachbuch firmieren. Auch wenn es, einem solchen angemessen, durchaus informative, referierende Passagen gibt: Über weite Strecken mutet die Lektüre erfreulich unsachlich-lästerlich an. Was aber, weil die Magenauschen Autorencharakterisierungen der Wahrheit entsprechen, wiederum durchaus sachdienlich ist.